Bollywood = Krishna-Bewusstsein?

Was passiert, wenn Dogma statt Philosophie gelehrt wird

| 3. März 2014 | 0 Kommentare
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Umstrittener Bollywood-Dance beim ISKCON Ratha Yatra in Melbourne, Australien

Manchmal fragen Leute: „Wieso Krishna West?“

Die Antwort lautet: Wir müssen in der ISKCON dringend einen Ausgleich zu ‚Krishna Ost‘ schaffen.

Folgendes Video ist ein markantes Dokument dafür, welche Auswirkungen es haben kann, wenn eine permanente, jahrzehntelange Überbetonung auf „Krishna Ost“, d.h. auf indische Volksbräuche, in der ISKCON gelegt wird. Im Bewusstsein vieler ISKCON-Mitglieder ist automatisch alles vedisch und „autorisiert“, wenn es einfach irgendwie indisch ist.

Wenn hingegen Krishna-Geweihte gelegentlich in gesitteter westlicher Kleidung einen Tempel betreten oder an einem Ratha Yatra teilnehmen, wird dahinter häufig eine Abweichung vom Krishna-Bewusstsein vermutet.

Kommt man wiederum in indischer Kleidung, gilt man schnell als autorisierter Devotee, egal, ob man den Prinzipien des Krishna-Bewusstseins in seinem privaten Leben wirklich ernsthaft folgt.

Die Ursache dafür ist, dass wir es in der ISKCON seit Jahrzehnten versäumt haben, uns in der Erscheinungsweise der Tugend zu schulen, wenn es um ein angemessenes Ankleiden geht. Wir haben versäumt zu erklären, welche Wirkung die Erscheinungsweise der Tugend auf unser Bewusstsein ausübt.

sattvaṁ rajas tama iti
guṇāḥ prakṛti-sambhavāḥ
nibadhnanti mahā-bāho
dehe dehinam avyayam

„Die materielle Natur besteht aus drei Erscheinungsweisen – Tugend, Leidenschaft und Unwissenheit. Wenn das ewige Lebewesen mit der materiellen Natur in Berührung kommt, wird es von diesen Erscheinungsweisen bedingt.“

Bhagavad-gita 14.5

Der Einfluss der drei Erscheinungsweisen spiegelt sich auch in der Art sich zu kleiden wider. Jede Kleidung spricht eine Körpersprache.

Stattdessen wurde in der ISKCON der Schwerpunkt einfach auf die Herrlichkeit indischer Volksbräuche gelegt, mit der Annahme, all dies sei irgendwie mit der vedischen Kultur verbunden und deshalb irgendwie Krishna-bewusst. Eine fundierte philosophische Erklärung gibt es bis heute nicht. Die Folge ist, dass viele Devotees, wenn sie dann einmal KEINEN Sari oder Dhoti* in unseren Zentren oder auf unseren Festivals tragen, in unangemessener westlichen Kleidung erscheinen, d.h. in freakigem Hippie-Outfit, in schlotteriger Ghetto-Kluft oder sogar in einer erotisierenden Aufmachung – als hätte die westliche Kultur nicht auch gehobene, tugendhafte Kleidungsstile anzubieten.

Schnell bestätigen sich dann die Befürchtungen der konservativen Reihen, dass, wenn Krishna-geweihte keine Dhotis und Saris tragen, sie automatisch in die „niedere dämonische westliche Kultur“ abgleiten und nur noch in löchrigen Jeans oder anstößigen Miniröcken herum laufen.

Der Grund dafür ist, das wir Krishna-Bewusstsein – was Kleidung betrifft – nicht als eine Wissenschaft lehren und verstehen, sondern uns dogmatisch in nebensächlichen Details wie oberflächlichen Volksbräuchen verlieren.

Krishna West will diesem Mangel Abhilfe schaffen.

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Krishna lehrt in der Bhagavad-gita keinen spezifischen (indischen) Dresscode, sondern die Erscheinungsweise der Tugend.

Sri Krishna predigt in der Bhagavad-gita keinen spezifischen Kleidungsstil, sondern die Erscheinungsweise der Tugend. Krishnas Botschaft ist, dass wir mit Hilfe der Erscheinungsweise der Tugend sehr leicht die transzendentale Ebene erreichen können. Jeder Deutsche weiß, wie man sich auf westliche Weise tugendhaft und respektabel ankleidet. Das gilt auch für die Krishna-Geweihten.

Krishna West hat das Anliegen, Menschen aus dem westlichen Kulturkreis das Verständnis zu geben, dass sie sehr leicht in ihrer eigenen Kultur Krishna-bewusst werden können, indem sie einfach die tugendhaften Bräuche IHRER Tradition beherzigen. Zum Beispiel ermutigte Srila Prabhupada den Vater von Sacinandana Swami, dass er ganz einfach Krishna-bewusst werden könne – in tugendhafter westlicher Kleidung.

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H.H. Sacinandana Swami

Sacinandana Swami: „Mein Vater kam den ganzen Weg von Hamburg [nach Frankfurt] herunter, um Srila Prabhupada zu treffen und mit eigenen Augen zu sehen, in was seine beiden Söhne da genau hineingeraten waren. Als die Zeit kam, Fragen zu stellen, stand mein Vater auf und ergriff das Wort: ‚Wie können Sie erwarten, den Menschen Gutes zu bringen, indem sie diese fremde indische Kultur in Deutschland hineinpflanzen? Wir sind Deutsche. Wir brauchen die abendländische Kultur. Es ist, als würden Sie ein Krokodil aus dem Nil nehmen und in die Elbe werfen. Es würde elendig sterben.’ Prabhupada schaute ihn an und sagte einfach: ‚Nein, Sie können Krishna-bewusst werden in Anzug und Krawatte.’

Mein Vater hatte wahrscheinlich eine mehr komplexe und philosophische Antwort erwartet, aber Prabhupadas Punkt war einfach. Krishna-Bewusstsein wird nicht durch kulturelle Erwägungen begrenzt, denn es ist ein universales und absolutes Bewusstsein. Jeder kann Krishna-bewusst werden innerhalb seiner eigenen Kultur.

Am nächsten Tag sprach mein Vater mit einigen Gottgeweihten über Prabhupadas Antwort. Er kam zu der Schlussfolgerung, dass es sich lohnen würde, das Krishna-Bewusstsein noch weiter im Detail zu erforschen.“

– Auszug aus dem Buch Srila Prabhupada And His Disciples in Germany auf Seite 327/328; eine Erinnerung Sacinandana Swamis aus dem Jahr 1974. (Übersetzung aus dem Engl.: P.T.Rabe)

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* Dhoti = indisches Beinkleid für Männer

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Category: Diverses, Krishna West, Shiva & Param

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