„Ich bin nicht bereit, an irgendeiner politischen Agitation teilzunehmen“
Srila Prabhupada über Politik, Karma und Studentenproteste
Gegen Krieg? Gegen Atomkraft? Sollten sich Hare-Krishna-Geweihte an politischem Aktivismus beteiligen?
Es folgt ein bisher unveröffentlichter Brief vom Gründer-Acharya der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON). In diesem Schreiben bringt Srila Prabhupada (1896-1977) klar zum Ausdruck, warum er sich von jeglichem politischem Aktivismus distanziert, solange dieser nur auf der weltlichen Ebene ausgeführt wird.
Der Anlass dieses Briefes waren heftige Studentenunruhen gegen den Vietnam-Krieg, Ende der Sechziger Jahre in den USA. In Städten wie Boston lieferten sich Studenten mit der Polizei wütende Straßenschlachten. Sollten sich Hare Krishnas nicht ebenfalls daran beteiligen? Diese Frage wurde damals von den Gottgeweihten ernsthaft in Erwägung gezogen. Schließlich waren die Studenten ja gegen Krieg, also ein begründeter Protest.
Ein Schüler Prabhupadas lud den ISKCON-Gründer ein, nach Boston zu kommen, um dort in einer Universitätshalle vor Studenten zu sprechen. Doch Srila Prabhupada lehnte ab. Er war der Meinung, dass die Konstellationen nicht günstig standen.
* * * * *
Brief von Srila Prabhupada an Satsvarupa Dasa
Seattle, den 9. Oktober 1968
Mein lieber Satsvarupa,
bitte nimm meine Segnungen entgegen! Ich habe deinen Brief ohne Absendedatum erhalten, in welchem die gegenwärtige Situation in Boston beschrieben wird. Anhand deiner Aussagen kann ich verstehen, dass es sich um eine politische Situation handelt. Obwohl alles im Krishna-Bewusstsein mit eingeschlossen ist, wollen wir uns freilich nicht mit politischen Kontroversen beschäftigen. Wir wollen uns nur in solch einer Form mit Politik beschäftigen, wie sie von Krishna befürwortet wird. Doch bei den politischen Bemühungen dieser Studenten geht es um etwas anderes. Es handelt sich hier um karmische Reaktionen. Denn beide gegnerischen Parteien, nämlich die Studenten, die Zuflucht in Kirchen suchen, und die Staatsgewalt, die sie festnehmen will, gehören beide zur selben Kategorie; denn wenn es um die Frage des Fleischkonsums geht, oder, ob man Schlachthäuser befürworten sollte, stimmen beide Seiten überein. Die gegenwärtige Situation ist also nichts anderes als das Ergebnis des sündhaften Verhaltens der Menschen.
Wir empfehlen insbesondere das Fernhalten von folgenden vier vorrangigen Sünden, nämlich unzulässige Sexualität, Berauschung, Fleischessen und Glücksspiel. Aber alle diese zankenden Leute, sie sind zu Einhundertprozent von diesen Gewohnheiten abhängig. Wenn sie diese unerfreuliche Situation wirklich entschärfen wollten, müssten sie sich dem Krishna-Bewusstsein zuwenden, andernfalls wird es keine Möglichkeit für Frieden auf der Welt geben. In dieser Hinsicht ist die gegenwärtige Situation in Boston, wie du sie beschrieben hast, nicht sehr geeignet, um dort unser Krishna-Bewusstsein zu predigen. Falls es dort aber Möglichkeiten gibt, unsere Back-To-Godhead-Zeitschriften zu verkaufen, ist das sehr gut und du kannst diese Gelegenheit gerne nutzen.
Was meine Fahrt nach Boston betrifft, solange die Studenten nicht bereit sind, sich für eine Zeit lang geduldig die Lehren der Bhagavad-gita und die von Sri Chaitanya anzuhören, werden die gelegentlichen Vortragsveranstaltungen nicht sehr vorteilhaft sein. Sie scheinen nicht sehr daran interessiert zu sein, andernfalls hätten sie unsere Vorträge doch schon längst besucht. Aber, wie ich dir bereits gesagt habe, bin ich durchaus bereit zu kommen, vorausgesetzt, dass sie für die Kosten aufkommen. Doch ich vermute, dass dies nicht möglich sein wird. Warum solltest du deshalb das Risiko eingehen? Wenn du mich dort hinbringst und mit großen Anstrengungen meine Unkosten abdeckst, denke ich, dass dies nicht sehr vorteilhaft ist. Wir werden später sehen, was sich machen lässt; jetzt erst einmal, lass uns davon absehen.
Dass die Studenten 24 Stunden lang beten und politischen Reden lauschen, auf dass der Krieg doch aufhöre, ist nutzlos. Gott kann nicht unser Befehlsempfänger sein. Ganz zu Beginn haben sie sündhaft gehandelt, und nun, wo die Reaktionen hereinbrechen in Form von Krieg, Pest und Dürre und so vielen anderen Naturstörungen, beten sie plötzlich zu Gott, damit dies doch aufhören möge. Dies ist nicht möglich. Es ist genau wie mit einem Kriminellen, der erst einen Diebstahl begeht, und wenn er dann von der Polizei gefasst wird, zur Regierung betet, ihn doch frei zu lassen, – so funktioniert das nicht. In ähnlicher Weise sind diese Leute damit beschäftigt, allen möglichen sündhaften Tätigkeiten nachzugehen, und so muss es zu Reaktionen kommen. Wenn ich auf der einen Seite das Kuhschlachten und Tiere-töten befürworte, und sich dann aufgrund der Naturgesetze das Blatt wendet und ich plötzlich an der Reihe bin, und ich dann bete, um dies zu verhindern, wie kann dies dann verhindert werden? Deren Methode ist also nicht sehr effektiv. Sie wollen Gott zu ihrem Befehlsempfänger machen. Doch Gott ist kein Befehlsempfänger. Er ist vielmehr Befehlshaber, d.h. Er gibt die Befehle. Er gibt allen die Anweisung, sich Ihm zu ergeben. Aber die Schurken und Dummköpfe, die sich Ihm nicht ergeben wollen, maßen sich an, Ihm Befehle zu erteilen in Form von so genannten Gebeten, dass Er doch bitte schön der materiellen Natur sagen soll, sie möge ihre Gesetze ändern. Dies ist nicht möglich.
Die Situation ist also nicht sehr vorteilhaft; aber wenn sich jemand dazu bereit erklärt, für einen längeren Zeitraum hinweg aus der Bhagavad-gita und von den Lehren Sri Chaitanyas zu hören, dann bin ich sogar ohne Bezahlung bereit, dort hinzugehen und Vorträge zu halten. Aber ich bin nicht bereit, an irgendeiner politischen Agitation teilzunehmen.
* * * * *
Übersetzung aus dem Englischen: Paramshreya Dasa aka Phillip Trier Rabe
* * * * *
Weiterer empfohlener Link von der GNT-Redaktion:
Unser Vortrag in Berlin zum Thema „Politik im Krishna-Bewusstsein“ zu hören auf unserem neuen VEDAVOX-Podcast!
Demütige Bitte: Unterstützt unsere journalistische Arbeit mit einer Spende! Dann kann es hier wieder mehr Updates geben!
Category: Aktivismus, Krishna und die Welt, Politik, Prabhupada