Woran erkennt man einen Hindu? 2.0

Indien-Tourist durfte nicht in den Tempel

| 25. April 2012 | 0 Kommentare

Ein Pilger bei der Kumbha-Mela 2001, dem größten spirituellen Come-Together der Welt. © Foto by Nitya Trpta / Back to Godhead Magazine (www.krishna.com)

Der Hinduismus ist für viele Menschen vielleicht die geheimnisvollste und verwirrendste Kultur der Welt. Unser Gour-Ni-Times Online-Magazin versucht mit Hilfe der Vedischen Schriften Licht in dieses Wirrwarr hineinzubringen.

In einem Leserbrief stellte uns ein GNT-Besucher folgende Frage:

„Eine gute Freundin weilt für ein halbes Jahr in Katmandu (Nepal), um dort Physiotherapeutinnen auszubilden. Sie hat sich auch ein wenig im Lande umgesehen und sich mit der Religion beschäftigt, soweit die Zeit es zulässt. Sie schreibt, dass der Besuch der Tempel nur Hindus erlaubt sei, woraus sich die Frage ergab, wie wird man Hindu und woran erkennt man sie? Wenn es dort Tempelwächter gibt, müssen sie ja die einen von den anderen zu unterscheiden in der Lage sein. Ich habe im Internet verschiedene Homepages gefunden, die etwas über Hinduismus enthalten, diese einfache Frage aber konnte ich nicht beantwortet bekommen, weshalb ich sie so direkt stelle. Namaste!“

Unsere Antwort: Wissenschaftlich gesehen hat das Wort Hindu keine religiöse Bedeutung. Vor Tausenden von Jahren bezeichneten die Perser alles, was sich östlich des Sindhu-Flusses befand, als Hindu, da sie das S von Sindhu nicht aussprechen konnten. Die alten Griechen hatten wiederum Schwierigkeiten mit dem H, und so wurde aus Hindu das Wort Indu. Bis heute wird der Sindhu-Fluss immer noch offiziell als Indus bezeichnet und der Name Indien leitet sich ebenfall davon ab. Das Wort Hindu ist also kein Sanskritwort und man findet es nirgends in den Veden. Vielmehr ist Hindu als eine geografische und kulturelle Bezeichnung zu verstehen. Wenn die Perser damals sagten “Hinter dem Fluss leben die Hindus” ist dies ähnlich, wie wenn wir sagen “Am Rhein leben die Rheinländer”. Auch in den USA gibt es ganze Bundesstaaten, die nach einem Fluss benannt wurden, wie zum Beispiel Mississippi und Missouri. So wird Indien auch heute noch oftmals als Hindustan, als das Land hinter dem Indus, genannt.

Der Hinduismus vereint viele verschiedene spirituelle Konzepte und Weltanschauungen, ähnlich wie es auch im Rheinland verschiedene religiöse oder nicht-religiöse Vorstellungen gibt. Rheinländer können zum Beispiel Katholiken, aber auch Protestanten, Konfessionslose, Buddhisten oder Mohammedaner sein.

Ebenso war die vedische Kultur des alten Indien bereits vor 5.000 Jahren sehr breitgefächert. Die Veden berücksichtigen nämlich, dass nicht alle Menschen auf derselben Bewusstseinsebene stehen. So gehören zu den Vedischen Schriften Bücher, die sowohl für Menschen in der Erscheinungsweise der Tugend (sattva-guna) bestimmt sind, aber auch solche, die für Menschen in der Erscheinungsweise der Leidenschaft (rajo-guna) und Unwissenheit (tamo-guna) vorgesehen sind.  Zum Beispiel setzen sich die so genannten Purana-Texte (zu denen auch das Srimad Bhagavatam gehört) aus insgesamt 18 Büchern zusammen. Diese 18 Bücher werden durch drei geteilt, und so kommen wir auf sechs Bücher für Menschen in der Erscheinunsweise der Tugend, sechs weitere für Menschen in der Erscheinungsweise der Leidenschaft und die übrigen sechs sind für Menschen in der Erscheinungsweise der Unwissenheit vorgesehen. Der Grund hierfür liegt darin, dass alle Menschen dort abgeholt werden sollen, wo sie bewusstseinsmäßig gerade stehen – mit dem Ziel, sie allmählich auf eine höhere Daseinsebene zu erheben.

So gab es bereits damals einen Teil der Bevölkerung, der sich der Vishnu-Verehrung gewidmet hat. Diese Menschen sind als Monotheisten zu betrachten. Sie verstehen, dass es letzten Endes nur einen einzigen höchsten Gott geben kann und dass auch die vielen Halbgötter, die man im bunten Hinduismus antrifft, nichts anderes als Seine Diener sind. Diese Menschen werden Vaishnavas genannt und sie verehren Krishna entweder direkt oder in einer Seiner Vishnu-Erweiterungen wie zum Beispiel Rama oder Nrisimha. Dann gab es aber auch einen Teil der Gesellschaft, der Halbgötter verehrt hat, mit dem Ziel, sich materielle Wünsche zu erfüllen. Ja, es gab sogar Leute, die sich mit schwarzer Magie beschäftigt haben (meist als Tantriker bekannt). Hinzu kamen noch die Asketen, Yogis und Unpersönlichkeitsphilosophen; und auf diese Weise wurde das Bild der Hindu-Kultur immer bunter und für das ungeschulte Auge auch immer unübersichtlicher und unverständlicher.

Kennzeichnend ist, dass die vedische Gesellschaft in acht Einteilungen gegliedert wurde, das heißt in vier Gesellschaftsklassen und vier Lebensstufen. Dieses Gesellschaftssystem wird in den Veden als varnashrama-dharma genannt.

Ein Hindu zu sein, hat laut Veden nichts mit unserer Geburt zu tun. Ursprünglich wurde man als brahmana, ksatriya, vaisya, sudra oder „Kastenloser“ nach seinem Verhalten und nach seiner Qualifikation eingestuft. Die Geburt allein war in diesem Falle nicht ausschlaggebend, so wie heute. Das falsche, künstliche Bewusstsein, jemand könne kein Hindu sein, weil er nicht in Indien geboren wurde, oder jemand könne kein Brahmane sein, weil er nicht in einer brahmanischen Familie geboren wurde, ist erst in den letzten Jahrhunderten zunehmend entstanden.

Zum Beispiel heißt es im Srimad-Bhagavatam (7.11.35):

yasya yal laksanam proktam
pumso varnabhivyanjakam
yad anyatrapi drsyeta
tat tenaiva vinirdiset

„Wenn jemand die Eigenschaften eines brahmanas, ksatriyas, vaisyas oder sudras aufweist, sollte er dementsprechend eingestuft werden, selbst wenn er von Geburt her aus einer anderen Kaste stammt.“

Ja, es stimmt, manchmal wird es westlichen Touristen nicht erlaubt, die Hindu-Tempel zu betreten. Das kann in manchen Fällen etwas mit dem missverstandenen Kastensystem zu tun haben, es kann aber auch einfach eine Schutzfunktion sein, mit der die Hindus ihre Kulter versuchen zu beschützen. Westliche Touristen sind nicht immer dafür bekannt, anderen Religionen und Kulturen den nötigen Respekt entgegenzubringen. Unangemessene Bekleidung und Fotografier-Attacken sind nur einige Beispiele. Deshalb darf man es den traditionellen Hindus nicht allzu übel nehmen, wenn sie ihre Kultur zu schützen versuchen.

Was uns persönlich betrifft, so haben wir in Indien schon oftmals die Erfahrung gemacht, dass wir, wenn wir die richtige respektvolle Haltung angenommen haben, auch in strenge Hindu-Tempel hinein durften.

(Basierend auf einem Briefwechsel aus dem Jahre 2000)

* * * * *

 

Hindu und Varnashrama

von seiner göttlichen Gnade
A.C.BHAKTIVEDANTA SWAMI PRABHUPADA

Sie werden vielleicht die Veden „Hindu“ nennen, aber das Wort „Hindu“ ist unzutreffend. Wir sind keine Hindus. Unsere wirkliche Identifikation ist varnashramaVarnashrama sind diejenigen, die den Veden folgen und erkennen, dass die menschliche Gesellschaft in acht Gruppen des varna und ashrama eingeteilt ist. Es gibt vier Unterteilungen in der Gesellschaft und vier im geistigen Leben. Das nennt man varnashrama. In der Bhagavad-gita wird gesagt: „Diese Unterteilungen gibt es überall, weil sie von Gott geschaffen sind.“ Die Unterteilungen sind folgende: brahmanaksatriyavaisyasudra. Mit brahmana sind die wirklich intelligenten Menschen gemeint, diejenigen, die wissen, was das Brahman [die höchste spirituelle Wahrheit] ist. Etwas weniger intelligent als die Brahmanen sind die ksatriyas, denen die Verwaltung obliegt. Dann folgen die vaisyas, die Kaufleute. Diese ganz natürlichen Einteilungen findet man überall. Das alles wurzelt in den vedischen Prinzipien, die wir vorbehaltlos akzeptieren. Die vedischen Prinzipien sind axiomatische Wahrheit, denn die Möglichkeit eines Fehlers ist ausgeschlossen.

Auszug aus dem Vortrag Was sind die Veden?, der von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada am 6. Oktober 1969 in der Conway Hall in London, England, gehalten wurde.

* * * * *

Tags: ,

Category: Autoren, Fragen & Antworten, Krishna und die Welt, Prabhupada, Sanskrit, Shiva & Param

Schreibe einen Kommentar!

banner ad