Wo bleibt der Mensch? – Teufelskreis Wachstumsgesellschaft

"Werkstatt Zukunft" lädt Gour-Ni-Times ein zur TV-Talkshow nach Oldenburg

| 5. April 2015 | 0 Kommentare

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Wir leben in einer Wachstumsgesellschaft. Alles muss wachsen. Damit ist aber immer nur unser Konsum und unsere Wirtschaft gemeint und niemals der innere Wachstum von Charakter und spiritueller Erkenntnis. Der heutige Mensch denkt, er macht Fortschritt und wird glücklich, wenn er immer mehr konsumiert und dadurch die Wirtschaft ankurbelt, was wiederum Arbeitsplätze schafft, was wiederum dazu führt, dass er noch mehr kaufen und konsumieren kann, was wiederum dazu führt, dass die Wirtschaft weiter angekurbelt wird und wiederum neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir befinden uns in einem Teufelskreis, in einem Wachstumszwang, der, wie unsere Bundeskanzlerin sagt, „alternativlos“ sei.

Mit dieser Philosophie hat auch die sogenannte Obsoleszenz immer dramatischere Ausmaße erreicht. Nach einem Jahr haben wir bereits das Gefühl, wir würden bereits mit einem uralten Handy telefonieren, weil wir jeden Tag von der Werbung eingehämmert bekommen, dass es doch schon längst viel neuere und bessere Geräte gibt.

So haben viele Menschen bereits eine ganze Sammlung von alten Telefongeräten in ihrer Schublade, die aber eigentlich alle noch funktionieren.

Heute sind auch in vielen Produkten gezielt Bruchstellen eingebaut, damit diese schon nach zwei oder drei Jahren (meistens kurz nach Garantieablauf) von alleine ihren Geist aufgeben. Wenn man dann fragt, was eine Reparatur kostet, bekommt man meistens gesagt, dass eine Reparatur mehr kosten würde als wenn man sich gleich ein nagelneues Gerät anschafft.

Auf diese Weise werden jeden Tag ungeheure Mengen an Rohstoffe, Wasser, Bodenschätze und Landflächen ausgebeutet und verbraucht. Es ist nur noch eine Frage von wenigen Jahren, bis einige dieser Ressourcen vollständig erschöpft sind und wir vor unlösbaren Problemen stehen.

grains-deutschIn jeder Minute wird zum Beispiel eine Fläche von 35 Fußballfeldern tropischer Regenwald abgeholzt, meistens nur um Weideland für Viehzucht und Ackerbau für Viehfutter zu generieren. Ein Kilogramm Rindfleisch verbraucht 16 mal so viel Getreide und 40 mal so viel Wasser wie die Erzeugung von einem einzigen Kilogramm Getreide, welches einen Menschen ebensogut satt machen würde. Alle weltweiten Hungerprobleme könnten mit einem Schlag behoben werden, wenn wir die wachsende Gier nach immer mehr Fleisch aufgeben würden.

In der Bhagavad-gita wird ausführlich über die „drei Erscheinungsweisen“ berichtet: Sattva-guna oder die Erscheinungsweise der der Tugend, rajo-guna oder die Erscheinungsweise der Leidenschaft und tamo-guna oder die Erscheinungsweise der Unwissenheit. Besonders im vierzehnten, siebzehnten und achtzehnten Kapitel werden die Kennzeichen dieser gunas lebendig erklärt. Alle unsere Handlungen, die wir jeden Tag ausführen, werden besonders von einer dieser drei Erscheinungsweisen beeinflusst.

So wie unsere Handlungen, unser Essen, unsere Spenden, unsere Entsagung, unsere Wünsche und unsere Verehrung einer dieser Erscheinungsweisen zuzuordnen ist, so wird auch unser Wirtschafts- und Finanzsystem besonders von einer dieser Erscheinungsweisen beeinflusst. Es gibt Wirtschaft in der Erscheinungsweise der Tugend, aber auch Wirtschaft in Leidenschaft und in Unwissenheit.

Die ursprüngliche Idee von Wirtschaft ist, dass die Bedürfnisse des Menschen zufrieden gestellt werden. Ein Wirt bedient den Gast, eine Mutter bewirtet ihr Kind mit ihrer Brustmilch, ein Bauer bewirtet den Acker, damit der Getreideertrag wiederum den Menschen zugute kommt. Das wäre Wirtschaft in der Erscheinungsweise der Tugend.


Zu viel Beschleunigung in unserem Leben ist ein Symptom von zu viel „rajo-guna“ (Erscheinungsweise der Leidenschaft). Bild: Pixabay.com

Heute ist es weitgehend so, dass die Wirtschaft nicht mehr den Menschen bewirtet, sondern dass der Mensch vielmehr die Wirtschaft zufriedenstellen muss. Die nach Wachstum schreiende Wirtschaft mit ihrem Finanzsystem ist mittlerweile zu einem Krebsgeschwür geworden, welches nach immer weiteren organischem Zellstoff giert. Irgendwann hat der Krebs den gesamten lebendigen Körper aufgefressen. Der Zeitpunkt rückt immer näher, bis unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem den gesamten Globus in Krieg, Armut und Chaos stürzt.

Unser gegenwärtiges Wirtschafts- und Finanzsystem befindet sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft und Unwissenheit. Unersättliche Gier ist ein Merkmal von rajo-guna (Leidenschaft); Zerstörung und Chaos ist eine Eigenschaft der tamo-guna (Unwissenheit).

Ein praktisches Beispiel: Stellen wir uns vor, wir möchten einen Kuchen backen und stellen plötzlich fest, dass uns das Mehl ausgegangen ist. So klingeln wir beim Nachbarn, mit der Hoffnung, dass dieser uns mit einem Kilo Mehl aushelfen kann. Wenn sich unser Nachbar in der Erscheinungsweise der Tugend (sattva-guna) befindet, wird er sagen: „Selbstverständlich können Sie von mir ein Kilo Mehl bekommen. Irgendwann wird mir bestimmt auch einmal etwas fehlen und dann können Sie mir aus der Patsche helfen.“

Wenn sich der Nachbar jedoch in der Erscheinungsweise der Leidenschaft (rajo-guna) befindet, wird er sagen: „Sicher können Sie von mir ein Kilo Mehl bekommen. Sie geben mir aber morgen bitte 1,2 Kilo zurück.“

Und wenn sich der Nachbar in der Erscheinungsweise der Unwissenheit (tamo-guna) befindet, wird er sagen: „Nein, besorgen Sie sich Ihr Mehl gefälligst woanders, Sie Bettler, Sie!“

Im ersten Beispiel geht es um Erhaltung. Tugend bedeutet Erhaltung. Die Beziehung zwischen den Nachbarn beruht auf Ausgeglichenheit, Respekt und Erhaltung.

Im zweiten Beispiel kommt Gier mit ins Spiel. Die Beziehung der beiden Nachbarn wird von Vorteilsdenken und Konkurrenz beeinflusst.

Und im dritten Beispiel erleben wir schiere Dummheit und Zerstörung. Die Beziehung der beiden Nachbarn wird mit großer Wahrscheinlichkeit schon bald von Neid, Streit und Zwietracht zerfressen werden.

Wir sehen also, dass auch unser Wirtschaftsdenken und unser Umgang mit Menschen immer von einer dieser drei Erscheinungsweisen beeinflusst wird.

Es besteht kein Zweifel daran, dass unser gesamtes, globales Geld- und Wirtschaftssystem stark von den Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit beherrscht wird. Die Resultate sprechen für sich.

Nachhaltigkeit ist heute ein großes Thema geworden. Immer öfter hören wir von der Notwendigkeit „erneuerbarer Energien“. Der Ruf nach Erhaltung, nach Ausgeglichenheit und Harmonie gegenüber der Natur wird immer lauter.

Auch eine Oldenburgische Bürgerinitiative namens „Werkstatt Zukunft“ hat sich ernsthaft diesem Ruf verschrieben. Mehrere Projekte wurden bereits ins Leben gerufen, um aus dem Teufelskreis der zerstörerischen Wachstumsgesellschaft herauszubrechen. Einmal im Monat öffnet ein Wirtshaus seine Türen in Form eines „Repair Cafés“, wo alle Bürger und Mitbürgerinnen ihre kaputten Toaster, iPhones, PC-Drucker und Fahrräder mitbringen können. Dort wird sich dann gegenseitig mit Rat und Tat geholfen. Das Motto lautet Reparieren und Erhalten statt Wegschmeissen und Neukaufen.

Seit Januar dieses Jahres geht Werkstatt Zukunft auch einmal monatlich mit einer eigenen Kulturveranstaltung auf TV-Sendung. Dafür werden ganz unterschiedliche Menschen eingeladen, die in irgendeiner Form etwas zu einer Reformierung unserer heutigen Gesellschaft beitragen wollen.

So wurden für die kommende Sendung überraschenderweise die beiden Krishna-Mönche Shivatma Dasa und Paramshreya Dasa eingeladen. Sie sollen einen Einblick in die vedischen Prinzipien ermöglichen, wie unsere heutige Gesellschaft aus dem Hamsterrad des Wachstumswahn herausbrechen kann. Auch für einen kleinen Musikbeitrag soll gesorgt werden.

Die Kulturveranstaltung findet bereits am kommenden Donnerstag, den 9. April 2015, im Oldenburgischen Staatstheater statt und wird sogar für die Ausstrahlung zweier Regionalsender gefilmt.

Wem der Weg also nicht zu weit ist, ist herzlich eingeladen, an diesem besonderen Event teilzunehmen. Auf der Website von Werkstatt Zukunft findet man alle weiteren Informationen.

Auch war vorgestern ein kleines Fernsehteam bei uns zu Besuch in der Gour-Ni-Times Redaktion, um einen kurzen Filmbeitrag (auch „Teaser“ genannt) für die bevorstehende Veranstaltung vorzubereiten. Den Teaser (Appetithappen) könnt Ihr euch bereits hier anschauen!

(Ganz lieben Dank an Susi für die neuen Kapuzen-Sweatshirts!)

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Reparieren und Erhalten statt Wegwerfen und Neukaufen!

Der Enthusiasmus der Werkstatt-Zukunft-Aktivisten hat mittlerweile auch die Gour-Ni-Times Redakteure angesteckt. Unsere ramponierten Fahrräder haben wir wieder aus der Garage geholt und eigenhändig repariert, ja sogar unser guter alter iMac wurde mit Hilfe einiger liebenswerter Spenden (Vielen Dank nach Wittenberg, Stuttgart und Achern/Baden!) wieder startklar gemacht, sprich, die alte, defekte Festplatte wurde ausgetauscht und das Gerät mit weiterem Arbeitsspeicher aufgerüstet. Dabei half uns unser Freund Vanamali Nrisimha aus Paderborn, der von Beruf Bankautomaten repariert (!). Nun läuft der acht Jahre alte Rechner wieder, aber jetzt mit sechsfachem Speicher, dreifacher Geschwindigkeit und einem nagelneuem Betriebssystem. Hätten wir uns für einen neuen Computer entschieden, wären wir das zehnfache des Geldes losgeworden und hätten den globalen Müllberg noch weiter wachsen lassen.

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Vanamali Nrisimha (von Beruf Bankautomaten-Reparateur) repariert unseren Achtjahre alten iMac

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Website von Werkstatt Zukunft

Website des Repair Cafés Oldenburg

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