Facebook und Krishna – passt das zusammen?

Die Gefahren des sozialen Netzwerks für tiefsinnige Spiritualisten

| 1. Mai 2013 | 2 Kommentare
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Klickst du noch oder chantest du schon?
© www.facebook.com/PRASADAM

Eigentlich finde ich tiefsinnige Diskussionen auf Facebook ganz spannend. Leider kommt es dazu nur selten. Unser gegenwärtiges Zeitalter, das Kali-Yuga*, möchte es verhindern, dass wir in der Tiefe nachdenken und zu fundierten Erkenntnissen gelangen. Stattdessen werden wir angehalten, nur noch oberflächlich zu denken und voreilig zu beurteilen.

Der Harvard-Wissenschaftler und Krishna-Geweihte Dr. Howard Resnick* vergleicht unser Denken mit Bootfahren. Ein tief im Wasser liegendes Boot kann nicht so leicht umkippen. Doch solche Boote fahren langsam, denn sie müssen viel Wasser verdrängen. Schnelle Boote sind hingegen viel leichter der Gefahr ausgesetzt zu kentern. Bei Rennboten kann man dies ganz besonders gut beobachten. Bei einer gewissen Geschwindigkeit, verliert das Boot völlig den Kontakt zur Wasseroberfläche und es besteht sogar die Gefahr, dass es von unten so viel Auftrieb bekommt, dass es nach oben weggerissen wird. Viele schlimme Unfälle sind auf diese Weise schon passiert. Genauso kann es mit unserem Denken passieren. Unser Denken ist tief, wenn wir ausreichend Zeit zum Nachdenken haben und nicht abgelenkt werden. Wenn wir uns jedoch in zu kurzen Intervallen mit zu vielen unterschiedlichen Informationen beschäftigen, wird unser Denken im wahrsten Sinne des Wortes oberflächlich. Wir verlieren den Kontakt zum Boden und heben ab, weil keine Substanz vorhanden ist. Unsere Einsichten haben keine feste Verankerung.

Facebook ist das ideale Gewässer, um mit einem mentalen Rennboot ohne Orientierung durch die Informationsfluten zu rasen. Hunderte von Meldungen werden hintereinander angeklickt, gelesen und angeliked. Nur für Sekunden beschäftigen wir uns mit einer Information, um dann gleich zur nächsten Statusmeldung zu springen. Ein YouTube-Video löst ohne Atempause das nächste ab. Am Ende des Tages wissen wir oftmals gar nicht mehr, mit was wir uns die ganze Zeit beschäftigt haben.

Es wurden bereits wissenschaftliche Untersuchungen vorgenommen, was passiert, wenn wir uns unsystematisch mit Informationen beschäftigen. Für ein Experiment* wurden zwei Studentengruppen für einige Wochen isoliert von der Außenwelt in zwei verschiedene Räume gesperrt. Beiden Gruppen wurde aufgetragen, ihre Zeit zu nutzen, um sich über ein bestimmtes Thema tiefgreifend zu informieren, also sich zu bilden. Die eine Gruppe hatte Zugang zum Internet, die andere Gruppe durfte sich nur ein paar selbst auserwählte Bücher mit in ihr Exil nehmen. Am Schluss sollten beide Parteien nach ihrer Bildung geprüft werden. Die Mitglieder der Internet-Gruppe waren davon überzeugt, dass sie dieses Rennen haushoch gewinnen würde. Schließlich hatten sie Wikipedia, E-Mail, Online-Bibliotheken und Google auf ihrer Seite!

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Dr. Howard Resnick ist auch bekannt als Hridayananda Dasa Goswami. Er ist einweihender spiritueller Meister in der ISKCON.

Nach einer festgelegten Zeit wurden beide Gruppen geprüft und das Ergebnis war verblüffend. Das Wissen der Buch-Gruppe war wesentlich tiefer im Gedächtnis verankert als das der Internet-Gruppe. Sie konnten die Fragen leicht beantworten und Sachverhalte mit fundierten Argumenten begründen. Die Internet-Gruppe musste hingegen bei denselben Fragen häufig mit der Schulter zucken. Auch wurde deutlich, dass es während ihrer Bildungsphase nur selten zu einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit dem Wissen gekommen ist. Soziologen und Hirnforscher erklären dieses Ergebnis damit, dass wenn wir uns von Informationen unsystematisch überfluten lassen, wir uns mit den Inhalten nicht tiefgreifend auseinandersetzen. Wissen geht somit nicht ins Unterbewusstsein, sondern bleibt nur oberflächlich im Gedächtnis und verschwindet bald wieder. Statt uns mit einer Frage tiefgreifend zu beschäftigen, wird stattdessen einfach der Google-Button angeklickt und die Antwort „herausgefiltert“.

Nun könnte man sagen, okay, aber immerhin bewege ich mich in einem spirituellen Facebook-Gewässer — denn von meinen 300 Freunden sind ganze 298 Krishna-Geweihte, die mich von morgens bis abends mit spirituellen Meldungen überfluten. Das ist natürlich wesentlich besser als 300 Facebook-Freunde, die sich ausschließlich mit Fußball, Heavy Metal und Erotik beschäftigen. Trotzdem sollten wir bedenken, dass am Ende des Tages die spirituellen Informationen nicht unbedingt tief in unser Bewusstsein eingebrannt sind. Ganz anders wird es hingegen sein, wenn wir in derselben Zeit konzentriert in einem einzigen Buch gelesen hätten, wie zum Beispiel dem Srimad-Bhagavatam. Jeder Krishna-Geweihte, der sich viel mit Facebook beschäftigt, sollte dieses Experiment einmal selbst ausführen.

Facebook könnte eigentlich zu einer vertiefenden Auseinandersetzung beitragen, vorausgesetzt, man konzentriert sich bei einer Diskussion für längere Zeit auf nur eine einzige Statusmeldung oder auf nur ein einziges YouTube-Video. Bei den Kommentaren könnten alle wichtigen Argumente in Ruhe ausgearbeitet und ausgesprochen werden. Dann wäre es tatsächlich möglich, zu vernünftigen und tiefsinnigen Erkenntnissen zu gelangen. Doch oft verlieren viele Facebook-Benutzer bereits nach einigen Minuten ihre Konzentration und es erscheint ihnen zu anstrengend, sich mit einem einzigen Thema tiefgreifend zu beschäftigen – denn in der Zwischenzeit stehen ja bereits Hunderte von neuen Meldungen auf der Startseite und man hat das Gefühl, dass man zu all diesen Meldungen etwas sagen oder diese zumindest mit einem Like-Daumen markieren müsste. Schließlich sind es ja alles meine Freunde, die dasselbe auch bei meinen eigenen Statusmeldungen tun. Auf diese Weise entsteht eine Dynamik, bei der wir uns freiwillig von ungeordneten Informationen überfluten lassen.

Wenn wir es also verhindern möchten, dass wir durch die Benutzung von Facebook in unserem Denken oberflächlich und stumpfsinnig werden, müssen wir nach meiner Überzeugung unser Facebook-Verhalten radikal verändern.

Hier sind meine Facebook-Regeln:

  1. Verwende in einer ernsten Diskussionsrunde nicht mehr als 300 Wörter pro Kommentar! (Beim Word-Programm gibt es unten einen Wort-Zähler).
  2. Warte mindestens 3 Stunden, bevor du wieder einen neuen Kommentar postest!
  3. Reagiere nicht sofort auf einen vorangegangenen Kommentar, sondern gönne dir ein paar Minuten Zeit und frische Luft!
  4. Poste höchstens eine Statusmeldung am Tag, oder am besten erst dann, wenn vorangegangene Diskussionen beendet sind.
  5. Bewahre den Respekt! Keine Beleidigungen oder unnötige Sticheleien!

Wenn wir diese Regeln einhalten, vermeiden wir das Hochkochen von unnötigen Emotionen oder dass wir uns gegenseitig mit Tausenden von Buchstaben erschlagen. Beides erschwert ein sachliches Gespräch, besonders, wenn man in einigen Punkten ganz unterschiedlicher Meinung ist. Auch bewahren uns diese Regeln davor, dass wir zu viel Zeit vor dem Computer verbringen.

Mich persönlich würde es unter Befolgung dieser Regeln gar nicht stören, wenn man über ein einziges Thema wochenlang oder sogar für Jahrzehnte in aller Ruhe diskutiert. Vielleicht gewinne ich dadurch ja ganz neue tiefere Einsichten!

Meine Facebook-Adresse lautet www.facebook.com/p.t.rabe

* * * * *

Sind wir in unserem Denken genauso oberflächlich wie diese (gekenterten) Rennboote?

Dieser Mann hatte einen spektakulären Rennboot-Unfall und landete im Rollstuhl. Kann unser Bewusstsein ebenso verkrüppeln, wenn wir zu oberflächlich denken?

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Fußnoten:
* Das Kali-Yuga ist das „Zeitalter des Streites und der Heuchelei“, in welchem wir gegenwärtig leben. In diesem Yuga nimmt die spirituelle Intelligenz immer weiter ab.
* Dr. Howard Resnick ist auch bekannt als Hridayananda Dasa Goswami. Er ist einweihender spiritueller Meister in der ISKCON. Seine offizielle Website lautet www.acharyadeva.com
* Das Experiment wurde beschrieben in dem Buch Gemeinsam Einsam – Wie Facebook, Google & Co. unser Leben verändern von Carsten Görig

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Category: Autoren, Diverses, Krishna und die Welt, Shiva & Param

Kommentare (2)

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  1. Shiva & Param Shiva & Param sagt:

    Danke für den Kommentar! Über deine sympathische Mutter mussten wir herzlich schmunzeln!

  2. >> Hunderte von Meldungen werden hintereinander angeklickt, gelesen und >> angeliked.

    Vielleicht bin ich eine Ausnahme, aber ich will mich nicht mit Like Klicks beteiligen. In meiner Kindheit gab es auch kein Fernsehen, und später ist es mir offensichtlich leichter gefallen davon distanziert oder discipliniert zu bleiben.
    Facebuch hat sicherlich auch neben den Nachteilen seine gute Seiten, und es ist wie mit dem Gold, das man auch von einem unreinen Ort aufheben kann, ein bisschen Geschick gehört schon mit dazu, und eigener Wille, sich nicht zu verlieren.
    Als ich meiner Mutter vor einigen Jahren einen Ausdruck einer website zeigte, schaute sie nur auf die Werbung. In ähnlicher Weise liegt es an uns selbst, uns darin zu üben, die Inhalte raus zu filtern, die wir sehen möchten.

    Das ganze Web ist voll mit Schrott, trotzdem finde ich es hilfreich wenn ich nach etwas suche, und ich finde Ergebnisse schnell und zuverlässig.
    In Facebuch können wir devotees aus aller Welt treffen, und uns mit Bildern etc austauschen, obwohl wir uns sonst nie treffen würden,
    hier bin ich auf überaschende spirituell inspirierende Bilder gestossen, und sehe links, die anregen spirtuell weiter zu denken.

    Was bei Facebuch fehlt ist ein Zugang zum Archiv und eine Suchfunktion, die sich nicht nur auf Freunde bezieht. Bereits die Kommentare von vor wenigen Tagen verschwinden sang und klanglos, und so bleibt es nur ein kurzes Aufblitzen von ausgetauschten Informationen. (ausser Bilderalben etc)

    Was Euch wichtig erscheint, solltet ihr deshalb gleich woanders abspeichern, da ihr es sonst in der kommenden Woche nicht mehr finden werdet.

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