Sterbebegleitung im Krishna-Bewusstsein

Universitätsklinik nimmt Vaishnava-Philosophie in ihr Ausbildungs-programm mit auf

| 18. März 2012 | 0 Kommentare

Der Umgang mit dem Tod ist zweifellos nicht einfach. Besonders schwer haben es Menschen, die Berufe ausüben, bei denen man tagtäglich mit dem Tod in Berührung kommt. Solche Menschen werden immer wieder gezwungen, sich mit diesem Thema auseinander-zusetzen. Gerade Krankenschwestern und Krankenpfleger* müssen regelmäßig miterleben, wie Patienten zunehmend kränker werden und schließlich vor ihren Augen sterben. Nicht selten haben die Pfleger über Wochen und Monate eine tiefe Beziehung zu solchen Patienten aufgebaut, was die Angelegenheit nicht unbedingt einfacher macht. Und nicht selten findet sich eine Krankenschwester und ein Krankenpfleger in der Rolle eines psychologischen Begleiters wieder. Sie sind in vielen Fällen eine wichtige Bezugsperson für die Sterbenden; denn diese vertrauen dem Pfleger auch oftmals deren Ängste und Sorgen an. In dieser letzten Lebensphase versucht der Pfleger sein Bestes, dem Patienten in dessen Ängsten beizustehen, ihn auf dessen jeweiligen spirituellen Pfad zu bestärken und, wenn unvermeidlich, ihn während des Sterbens sowohl palliativ medizinisch als auch bedürfnisorientiert zu betreuen. Nicht zu vergessen sind die vielen ein- und auskehrenden Familienangehörigen und Freunde des sterbenden Patienten. Auch mit ihnen sind die Krankenschwestern und -pfleger fortwährend im Austausch und werden mit deren Ängsten und Depressionen konfrontiert. Fortwährend müssen die Pfleger also einer großen psychischen Belastung standhalten und dürfen an den tiefgreifenden Erfahrungen nicht zerbrechen.

Wir lasen auch direkt aus der Bhagavad-gita

Eine solche schwierige Aufgabe kann nur gemeistert werden, wenn man selbst ein solides Verständnis über Leben und Tod, sprich über das Ewige und das Vergängliche besitzt. In solchen Fällen lassen sich religiöse Fragen nicht mehr ganz vermeiden. Immer wieder wird beobachtet, wie selbst die eingeschworensten Atheisten anfangen zu beten, wenn der Sensenmann plötzlich an die Türe klopft.

Das Ausbildungsmanagement für Krankenschwestern und Krankenpfleger einer renommierten norddeutschen Universitätsklinik hat nun beschlossen, im Rahmen eines Sterbebegleitungsseminars neben weltlichen und christlichen Vorstellungen auch die Darlegung anderer spiritueller Traditionen zu integrieren. Auch die hinduistische Krishna-Tradition (auch Vaishnavatum genannt) soll in diesem Ausbildungsrahmen einen festen Bestand haben und so kommt circa einmal monatlich eine ganze Gruppe von Auszubildenden nach Nienburg, um etwas über Themen wie Reinkarnation, Karma, Krishna und die Seele zu erfahren – und wie Anhänger der Krishna-Tradition ganz praktisch mit dem Sterben umgehen. Ein Monat später folgt schon die nächste Gruppe.

Selbst nach Tausenden von Jahren haben die Worte der Gita immer noch Relevanz

So meldete sich eines Tages die diplomierte Berufspädagogin und Pflegewissenschaftlerin Henrikje Stanze bei uns mit der Frage, ob wir nicht in diesem Fachbereich regelmäßig als offizielle Dozenten tätig sein wollen – eine Idee, mit der wir uns sofort anfreunden konnten.

Anfang März 2012 hatten wir dann unseren ersten Unterricht, den wir zur Überraschung der Azubis aber nicht mit Tafel, Pult (und Rohrstock) gestalteten, sondern stattdessen in unserer gemütlichen Tempel-Lounge erst einmal ein paar Hare-Krishna-Lieder sangen. Danach erzählte uns jeder einzelne Azubi, warum er der Meinung sei, der Tod sei ein wichtiges Thema, mit dem man sich besonders als Krankenschwester und -pfleger auseinandersetzen müsse. Im zweite Abschnitt erklärten wir die philosophischen Eckpfeiler der Bhagavad-gita, also den Unterschied zwischen dem vergänglichen materiellen Körper und der ewigen spirituellen Seele, aber auch den Reinkarnationsgedanken, das Gesetz des Karma und die ewige Beziehung zwischen Gott und der Seele. Der dritte Teil bestand aus Fragen und Antworten und einer interessanten Diskussion darüber, wie man dieses Wissen praktisch anwenden kann, besonders dann, wenn jemand im Sterben liegt.

Wir möchten uns ganz herzlich bei allen Auszubildenden für ihre interessierte Teilnahme bedanken und hoffen, dass alle irgendetwas Brauchbares für ihren Beruf und für ihr Leben mitnehmen konnten!

Hier noch weitere Fotos (geknipst von Elias Nikolai Hatko):

Die Verse erklären den Unterschied zwischen Körper und Seele

„So wie die Seele in diesem Leben fortgesetzt von Knabenzeit zu Jugend und zu Alter wandert, so geht die Seele beim Tod in ähnlicher Weise in einen anderen Körper ein. Ein besonnener Mensch wird durch einen solchen Wechsel nicht verwirrt.“ (Bg.2.13)

Altar der Gour-Ni-Times Tempel-Lounge

Gruppe 1, 9. März 2012, Shivatma Dasa (links), Henrikje Stanze, diplomierte Berufspädagogin und Pflegewissenschaftlerin am Fenster mit schwarzem Pulli und grauem Schal, die Auszubildenden und Paramsheya Dasa (rechts)

„Seeeeeele!“

Gruppe 2, 16. März 2012

„Tofu!“ (Gruppe 2)

Gruppe 3 mit über 30 Teilnehmern!

Gruppe 4, Oktober 2012

Gruppe 4, Oktober 2012

 

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* Die offizielle Berufsbezeichnung lautet neuerdings „Gesundheits- und Krankenpfleger/in“. Wenn wir in unserem Bericht von „Pflegern“ sprechen, meinen wir damit sowohl die männliche als auch die weibliche Form.

Bildquelle oben: © Gerd Altmann/Shapes:AllSilhouettes.com  / pixelio.de, weiterbearbeitet in einer Fotomontage durch Gour-Ni-Times

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Category: Events, Interreligiös, Shiva & Param

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