Dein ist auch mein

Der entscheidende Fehler im Kommunismus

| 20. Februar 2012 | 0 Kommentare

Nityananda Prabhu, ein Avatar Krishnas aus dem 16. Jahrhundert

Welche Geisteshaltung ist besser?

A) Dein ist auch mein

B) Mein ist auch dein

C) Kein Unterschied zwischen A und B

– Diese beiden Formulierungen hören sich im ersten Moment völlig identisch an. Aber tatsächlich gibt es einen Unterschied!

Der christlich-orientierte Gesellschaftsreformer namens Ivo Sasek erklärte in einem seiner Vorträge*, dass „Dein ist auch Mein“ vielmehr die „kommunistische Variante“ sei, und dass mit einer solchen Denkweise der Kommunismus auch leider wieder zusammengebrochen sei. Im ersten Moment klinge dieser Grundsatz ganz toll, so Sasek, aber man würde immer zuerst schauen, was der andere hat. In einem kommunistischem System der Planwirtschaft, in welchem kein eigener Gewinn erlaubt ist, führe das dann irgendwann zur Verantwortungslosigkeit, Lethargie und Resignation.

„Mein ist auch dein“ sei dagegen die spirituelle Variante, die in unserem Wesen ein Gefühl hervorruft, welches von Jesus Christus als „geben ist seliger wie nehmen“ beschrieben wird. Eine solche selig machende Geisteshaltung sei nachhaltig dauerhaft und steigere sich sogar, so der schweizer Gesellschaftsreformer Ivo Sasek.

Diesen Punkt fanden wir sehr interessant. Auch die Vaishnava-Philosophie spricht von der sogenannten Vaikuntha-Mentalität. Die Vaishnavas wollen immer anderen dienen und freuen sich, wenn andere im Krishna-Bewusstsein Fortschritte machen und glücklich sind. Die Gopis, die Kuhhirtenmädchen von Vrindavana, zum Beispiel, wollen gar nicht einmal selbst mit Krishna zusammensein, sondern treffen stets Arrangierungen, dass andere Gopis mit Krishna zusammenkommen. Das erfüllt sie mit weitaus größerer Freude.

Bei „Mein ist auch dein“ schaut man zuerst, was man selbst hat und was man davon anderen abgeben kann. Bei „Dein ist auch mein“ schaut man wiederum zuerst, was der andere hat und vergleicht es mit seinem eigenen Besitz. Hier ist der Neid-Faktor also schon unterschwellig mit eingebaut.

Der Grundsatz „Mein ist auch dein“ ist somit weitaus selbstloser und somit moralisch lobenswerter. Es werden dabei positive Energien freigesetzt. Ein fortgeschrittener Gottgeweihter verlässt sich darauf, dass Krishna ihm alles geben wird, was er zum Leben braucht (siehe Bhagavad-gita 9.22). Deshalb kann er es sich leisten, anderen von seinem Glück und Wohlstand abzugeben. Wie weit man nach diesem Grundsatz handeln kann, ist eine Frage des eigenen Gottesvertrauen.

Über dieses Prinzip sprachen wir auch in unserem Buch Die Erben von Hare Krishna. Dort heißt es im Kapitel 7.1:

Je mehr wir geben, desto mehr bekommen wir – Ein echter Vaishnava kultiviert die Gemütsstimmung des Teilens, des Förderns und des Weitergebens. Im Caitanya-Mangala , einer Biografie über Caitanya Mahaprabhu, finden wir eine Beschreibung von Nityananda Prabhu, der aus der Sicht des Gaudiya-Vaishnavatums als eine Inkarnation Gottes betrachtet wird. Dort wird poetisch beschrieben, wie Nityananda Prabhu die Schatzkammer der Gottesliebe, krsna-prema genannt, aufbricht und den Inhalt freizügig an alle Lebewesen verteilt, ohne sich darum zu kümmern, ob diese Schatzkammer irgendwann geleert werden könnte. Je mehr er den Inhalt verteilte, desto mehr sammelte sich auf wundersame Weise neue krsna-prema im Schatzhaus an. Dieses Prinzip der unbegrenzten Gottesliebe wird auch im Shiksastakam bestätigt, einem achtstrophigen Gebet, das von Caitanya Mahaprabhu verfasst wurde. Die spirituelle Regel wird dort als anandam-buddhi-vardhanam bezeichnet, oder als „der immer ansteigende Ozean der Glückseligkeit“. Dort wird diese Regel besonders in Verbindung mit dem sankirtana-yajña erwähnt, der Verbreitung der heiligen Namen Gottes.

Es gibt immer noch viele Menschen auf der Welt, die von der Botschaft des Vaishnavatums noch nichts gehört haben, was den Gedanken unsinnig macht, dass es zu viele Missionare geben könnte. Deshalb sollte die ISKCON neue Missionare befürworten, ausbilden und ermächtigen. Sobald die gegenwärtigen Missionare denken, dass es besser keine weiteren Prediger geben sollte, weil man sonst etwaige Privilegien teilen müsste, sollte man wissen, dass sich solche Missionare auf der begrenzten materiellen Ebene befinden. Mit dieser begrenzten Mentalität wird nicht nur der eigene spirituelle Fortschritt, sondern auch die Verbreitung des Vaishnavatums enorm gebremst.

Die Bhagavad-gita und andere Vaishnava-Schriften beschreiben, dass Menschen, die andere Menschen spirituell fördern und erheben, von Gott unmittelbar mit spiritueller Verwirklichung belohnt werden. Ein gutes Beispiel hierfür sind auch die Gopis, die Kuhhirtenmädchen von Vrindavana, die von den Gaudiya-Vaishnavas als die am meisten fortgeschrittenen Vaishnavas anerkannt werden. Es heißt, dass die Gopis eher geneigt sind, eine ihrer Freundinnen mit Krishna in Kontakt zu bringen, als sich selbst mit Krishna zu verabreden. Sie erfahren dabei eine noch größere Glückseligkeit. Ein echter Vaishnava ist an dem Wohl anderer interessiert. Die folgenden Zitate aus den Veden bringen dies sehr klar zum Ausdruck:

sivaya lokasya bhavaya bhutaye
ya uttama-sloka-parayana janah
ivanti natmartham asau parasrayam
mumoca nirvidya kutah kalevaram

„Diejenigen, die sich der Persönlichkeit Gottes geweiht haben, leben nur für das Wohl, den Fortschritt und das Glück anderer. Sie leben nicht für ein selbstisches Interesse.“ (Srimad-Bhagavatam 1.4.12)

para duhkha duhkhi – „Ein Vaishnava leidet, wenn er andere leiden sieht.“ Und Prahlada Maharaja, ein berühmter Vaishnava, betet im Srimad-Bhagavatam 5.18.9:

svasty astu visvasya khalah prasidatam
dhyayantu bhutani sivam mitho dhiya
manas ca bhadram bhajatad adhokshaje
avesyatam no matir apy ahaituki

„Möge das gesamte Universum von Glück gesegnet sein, und mögen alle neidischen Personen friedlich werden! Mögen alle Lebewesen durch das Praktizieren von bhakti-yoga ihre innere Ruhe finden, denn wenn sie sich im hingebungsvollen Dienst beschäftigen, werden sie an das Wohlergehen ihres Nächsten denken. Lasst uns deshalb alle der höchsten Transzendenz, Sri Krishna, dienen und immer in Gedanken an Ihn versunken sein.“

Im Lichte dieser Verse sollte ein Missionar der ISKCON nicht nur für seine eigene Karriere Interesse zeigen, sondern sich mindestens genauso viel um den Fortschritt anderer Vaishnavas kümmern. Materialistische Menschen sind im Allgemeinen zufrieden, wenn sie ihre eigenen Bedürfnisse erfüllt wissen. Um die Bedürfnisse anderer kümmern sie sich nur wenig. Die Denkart eines ernsthaften Vaishnavas ist genau entgegengesetzt. Besonders wenn dem Vaishnava Barmherzigkeit erwiesen wurde, wünscht er sich, dass auch andere mit Gnade gesegnet werden. Wenn ein dankbarer Mensch gefördert wurde, setzt er sich dafür ein, dass auch andere ausgebildet und gefördert werden.

(Die Erben von Hare Krishna, Seite 115-117)

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Unser Buch ist übrigens gerade als praktisches und preiswertes Taschenbuch neu aufgelegt worden. Mehr Informationen findet man auf unserer ebenfalls völlig neu überarbeiteten Website www.krishnas-erben.de

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* Vortrag von Ivo Sasek auf dem „Visionskonferenz“ 2010, Winterthur, Schweiz

** Aus den Werken von His Divine Grace A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada, dem Gründer-Acharya der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein

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Category: ISKCONews, Krishna und die Welt, Shiva & Param

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