Wieso wurde der kleine Krishna von seiner Mutter festgebunden?
Die Bedeutung des Damodara-Monats
Das Damodara-Lila ist eine beliebte Geschichte aus der Krishna Bhakti Tradition, die sich auf das spielerische und gleichzeitig göttliche Wesen von Krishna bezieht, als er noch ein kleines Kind war. Diese Erzählung wird vor allem im Monat Kartik (Oktober-November) verehrt und gefeiert, der auch als Damodara-Monat bekannt ist. Der Name „Damodara“ bedeutet „derjenige, der am Bauch gefesselt ist“ (Dama = Seil, Udara = Bauch). Dieser Monat wird der Verehrung von Krishna gewidmet, insbesondere in seiner Kindheitsform als der „liebenswerte Unfugmacher“.
Einführung in den Kartik-Monat und seine Bedeutung
Im Pancaratra-System, das sich auf die Verehrung Vishnus und seiner Erweiterungen bezieht, gibt es zwölf Formen Vishnus, die jeweils einem der zwölf Monate zugeordnet sind. Im Kartik-Monat wird besonders die Form Damodara verehrt. Für die Anhänger von Chaitanya Mahaprabhu, den Gaudiya Vaishnavas, ist dies jedoch nicht nur eine Verehrung von Vishnus Damodara-Form, sondern auch von Krishna als kleines Kind. Dieser kindliche Krishna ist der „ursprüngliche Damodara“, und die Vishnu-Erweiterung ist eine spätere Form von ihm.
Der Kartik-Monat, auch Damodara-Monat genannt, ist ein besonderer Monat im vedischen Kalender. In der indischen Tradition gibt es verschiedene Kalender, die nach den Sternkonstellationen und den Formen von Vishnu benannt sind. Kritika, eine Sternkonstellation mit sechs Hauptsternen, ist eng mit Kartikeya verbunden, dem Sohn von Shiva und Parvati. Diese Verbindung zeigt die himmlischen Ursprünge der Monate im vedischen System.
Die Geschichte von Damodara
Das Damodara-Lila beginnt damit, dass Krishna, wie alle kleinen Kinder, sehr neugierig und abenteuerlustig ist. Er liebt es, Unfug zu treiben und seine Mutter Yashoda auf Trab zu halten. Jeden Morgen hat Yashoda die Aufgabe, frische Milch zu Butter und Joghurt zu verarbeiten. Krishna ist jedoch nicht gerne allein und will ständig die Aufmerksamkeit seiner Mutter. Eines Morgens, während Yashoda mit dem Quirlen der Milch beschäftigt ist, kommt es dazu, dass die Milch auf dem Herd überkocht. Schnell muss Yashoda dorthin eilen und Krishna kurz zur Seite setzen.
Krishna, der sich vernachlässigt fühlt, reagiert wie ein trotziges Kleinkind. Er wird zornig und zerbricht einen Topf voller Joghurt, um seine Frustration zu zeigen. Danach schleicht er sich in die Speisekammer und beginnt, Butter zu stehlen und sie mit seinen Freunden, den Affen, zu teilen. Als Yashoda dies entdeckt, wird sie wütend und beschließt, Krishna eine Lektion zu erteilen. Sie jagt ihm nach, und obwohl Krishna sehr schnell ist, fängt sie ihn schließlich.
Yashoda beschließt, Krishna zur Strafe mit einem Seil an einen Mörser zu binden. Doch jedes Mal, wenn sie versucht, das Seil um Krishnas Bauch zu binden, ist es zwei Finger zu kurz. Egal, wie viele Seile sie verbindet, es bleibt immer ein Stück zu kurz. Das bedeutet, dass man Krishna nur mit Liebe fesseln kann, nicht durch physische Mittel allein. Schließlich erlaubt Krishna es seiner Mutter, ihn zu fesseln, um ihr Liebe und Hingabe zu zeigen.
Die Bäume und die Befreiung der Söhne Kuveras
Nachdem Krishna an den Mörser gebunden ist, scheint die Strafe vollzogen zu sein. Doch Krishna nutzt seine göttliche Kraft, um sich mit dem Mörser fortzubewegen. Er zieht den Mörser zwischen zwei große Bäume hindurch, die sofort umfallen. Diese Bäume waren eigentlich zwei verfluchte Söhne des Gottes Kuvera. Durch Krishnas Gnade werden die beiden von ihrem Fluch befreit und kehren in ihre ursprüngliche göttliche Form zurück.
Diese Geschichte zeigt, dass Krishna trotz seiner scheinbar kindlichen Unschuld der Höchste Herr ist und dass selbst seine Streiche einen tieferen spirituellen Zweck erfüllen. Indem er die Söhne Kuveras befreit, zeigt Krishna, dass er immer bereit ist, allen Seelen auf ihrem Weg zur Befreiung zu helfen.
Die Bedeutung der Geschichte
Das Damodara-Lila zeigt die spielerische und zugleich göttliche Natur Krishnas. Obwohl er als kleines Kind erscheint, ist er immer noch der Höchste Herr, der über alles bestimmt. Die Geschichte lehrt uns, dass wahre Liebe und Hingabe das einzige Mittel sind, um Krishna zu „binden“. Die Tatsache, dass das Seil immer zwei Finger zu kurz war, symbolisiert, dass die Verbindung mit Gott nicht durch materielle Mittel erreicht werden kann, sondern durch Hingabe und Liebe.
Krishna wird auch als „Butterdieb“ (Makhan-Chor) bekannt, da er gerne Butter stiehlt. Doch dies hat auch eine tiefere Bedeutung. Krishna „stiehlt“ nicht nur Butter, sondern auch die Herzen seiner Geweihten. In dieser Geschichte ist der Unfug, den Krishna macht, eine Metapher dafür, wie er die Herzen der Menschen auf spielerische Weise erobert. Die Verehrung von Damodara erinnert uns daran, dass Gott durch Liebe, Hingabe und manchmal auch durch humorvolle Taten in unser Leben tritt.
Rituale im Damodara-Monat
Im Monat Kartik wird Krishna in seiner Form als Damodara besonders verehrt. Es ist eine Zeit intensiver spiritueller Praktiken, bei denen man Krishna-Lieder singt, Butterlampen anzündet und Geschichten über Krishnas Kindheit hört. Viele Menschen fasten oder nehmen besondere Gelübde auf sich, um ihre Hingabe zu verstärken.
Ein wichtiger Bestandteil der Damodara-Verehrung ist das Singen des „Damodarastaka“, einem Gebet, das das Lila von Krishna und Yashoda beschreibt und das die Hingabe an den göttlichen „Butterdieb“ zum Ausdruck bringt. Es wird gesagt, dass jede Handlung, die im Kartik-Monat mit Hingabe für Krishna ausgeführt wird, tausendfachen spirituellen Nutzen bringt.
Fazit
Das Damodara-Lila ist eine Geschichte voller Liebe, Hingabe und spiritueller Weisheit. Sie zeigt, dass Krishna, obwohl er der Höchste Herr ist, in der Lage ist, sich seinen Geweihten in der einfachsten und liebenswertesten Form zu offenbaren – als verspieltes, neugieriges Kind. Im Damodara-Monat geht es darum, diese göttliche Verbindung zu feiern und sich daran zu erinnern, dass Gott durch Liebe und Hingabe „gebunden“ werden kann.
Was können wir aus dem Damodara-Lila lernen?
Aus unserem Podcast mit Krishna Kshetra Swami (siehe unten) gehen folgende Lehren hervor:
- Krishna und die Beziehung zu Mutter Yashoda: Das Lila des angebundenen Krishna (Damodara) zeigt eine innige Mutter-Kind-Beziehung, die eine Form der Vatsalya-Rasa darstellt. Diese Rasa ist eine der fünf Hauptbeziehungen im Krishna-Bewusstsein.
- Die Bedeutung des Damodarashtaka: Dieses achtstrophige Lied wird traditionell während des Kartika-Monats gesungen. Es hilft Devotees, sich an Krishna zu erinnern und die Barmherzigkeit in der Mutter-Kind-Beziehung zu würdigen.
- Die symbolische Bedeutung der zwei Finger: Die zwei Finger, die immer fehlen, symbolisieren die Mühe des Devotees (ein Finger) und die Barmherzigkeit des Herrn (der andere Finger). Beide Aspekte sind nötig, um spirituellen Erfolg zu erzielen.
- Verehrung von Damodara im Kartika-Monat: Besonders im Kartika-Monat ist es Brauch, durch Gesang und Ghee-Lampen-Opfer an Damodara zu ehren. Die Tradition soll Devotees dabei helfen, die Erinnerung an Krishna zu intensivieren.
- Die Ausführung und Bedeutung der Ghee-Lampen-Opferung: Die Ghee-Lampe wird im Uhrzeigersinn vor Damodara (Krishna) geschwenkt und symbolisiert Hingabe. Sie erinnert an die Liebe und das Bemühen von Mutter Yashoda, Krishna zu „binden“.
- Autorisierte spirituelle Spekulation: Fragen und Überlegungen zum Krishna-Lila („Wer hat Krishna festgehalten, als Mutter Yashoda im Haus nach weiteren Stricken gesucht hat?“) sind als natürliche spirituelle Spekulationen akzeptiert und werden in der Meditation als Methode zur Vertiefung der Hingabe gesehen.
- Lokale und individuelle Gelübde im Kartika-Monat: Devotees nutzen diesen Monat oft für besondere Gelübde, spirituelle Praktiken oder Enthaltsamkeit, um Krishna zu gefallen und das eigene Krishna-Bewusstsein zu vertiefen.
- Tradition außerhalb der Gaudiya-Gemeinschaft: Die Verehrung von Damodara wird auch außerhalb der Gaudiya-Tradition praktiziert, z.B. von Frauen in Varanasi, die täglich eine Lampe opfern.
Category: Diverses, Gedichte, Krishna Kshetra Swami, Vedavox