Glauben Fische an einen Ozean?

Gedanken über Religion, Fanatismus und Demokratie ohne Gott

| 2. Oktober 2014 | 3 Kommentare

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Manchmal sagen Leute: “Die Existenz Gottes ist noch nie bewiesen worden und deshalb sollte man die Frage, ob es einen Gott gibt, auch nicht so ernst nehmen. Religion ist deshalb nicht so wichtig.”

Doch was meinen sie genau mit “beweisen”? Etwas mit einem Mikroskop beweisen? Etwas mit einem Thermometer bemessen?

Zwei kleine Fische beschlossen eines Tages den sagenumwobenen Ozean zu finden. Sie schwammen überall hin, aber konnten ihn nirgends finden. Nach vielen Jahren kehrten sie endlich zurück zu ihrem Korallenriff, wo man sie schon sehnsüchtig erwartete. “Und? Habt Ihr den Ozean gesehen?”
Die Beiden Fische wurden ganz ernst. “Selbst wenn wir es euch sagten, ihr würdet uns nicht glauben.”

Fanatismus

Sri Srimad A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada sagte einmal:

“Religion ohne Philosophie führt zu Schwärmerei und Fanatismus, wohingegen Philosophie ohne Religion nur zu fruchtloser mentaler Spekulation führt.”

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Sri Srimad A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada (1896-1977)

Mit Philosophie sind Dinge wie Vernunft, Logik, Aufklärung und empirische Wissenschaft gemeint. Mit Religion sind offenbarte Informationen von höherer Quelle gemeint, die wir mit empirischer Wissenschaft und Logik niemals verstehen können, z.B. Was passiert nach dem Tod? Gibt es eine Seele? Wo kommen wir her? Gibt es einen Gott? Was liegt hinter dem Universum? usw. Solche Fragen können wir nicht durch mentale Spekulation oder mit Hilfe von materiellen Experimenten beantworten.

Wenn wir nur an offenbarte Aussagen glauben, ohne uns die Frage zu stellen, “WIE kann das möglich sein?” und “WARUM ist das so?”, werden diese offenbarten Aussagen schnell dogmatisch und wir setzen uns der Gefahr aus, Fanatiker zu werden.

In der Bibel heißt es zum Beispiel “Du sollst nicht stehlen!” Aber warum soll man das nicht? Ist das vernünftig? Solches Nachfragen ist sehr wichtig, wenn wir keine Fanatiker werden wollen. Religion muss auch vernünftig sein.

Ein weiteres Beispiel: In der Bhagavad-gita heißt es, dass man allen Lebewesen gegenüber gleichgesinnt sein sollte. Warum soll man das? Eine Antwort wäre, weil Krishna ebenfalls allen Lebewesen gegenüber gleichgesinnt ist – Er bevorzugt niemanden, noch benachteiligt er irgendjemanden (Bg. 9.29). Unparteilichkeit ist eine Tugend, die ihren Ursprung in Gott findet.

 Srila Prabhupada sagt, nur beides zusammen, also Religion zusammen mit Philosophie, kann uns zum höchsten Ziel bringen.

Spekulieren

In den alten Veden Indiens, jahrtausendalte Sanskrit-Texte, wird zwischen mentaler und philosophischer Spekulation unterschieden. Mentale Spekulation bedeutet zu spekulieren, OB es einen Gott gibt, und philosophische Spekulation bedeutet zu spekulieren, WIE Gott existiert. Die Veden empfehlen die zweite Methode.

Glauben

Das Wort “Glauben” oder “gläubig sein” muss aber nicht immer etwas mit “an Gott glauben” zu tun haben. Wenn wir genau hinschauen, glaubt jeder Mensch an irgendetwas. Auf Sanskrit nennt man dies śraddhā = “das, worin wir unser Herz legen”. Wir legen unser Herz ständig in irgendetwas, bewusst oder unbewusst – in Religion oder Atheismus, in Engel oder in den BVB, in das Bedingungslose Grundeinkommen oder in das Dritte Reich – es gibt so viele Möglichkeiten. Die Frage ist, welcher śraddhā ist am vernünftigsten? Welcher śraddhā bringt uns wirklich weiter?

Religion

Hier noch für alle, die etwas über die Herkunft des Wortes “Religion” erfahren wollen. Laut Duden heißt es:

lateinisch religio = Gottesfurcht, Herkunft ungeklärt; in der christlichen Theologie häufig gedeutet als »(Zurück)bindung an Gott«, zu lateinisch religare = zurückbinden

Manchmal sagen Leute, Religion, also die ernsthafte Annahme, dass es einen Gott gibt, wäre nur eine Erfindung des Menschen? Nun, man könnte jetzt auch die Frage stellen, ob die Annahme, es gäbe so etwas wie Gerechtigkeit, Schönheit, Liebe, Vernunft und ähnliche “Dinge”, auch nur eine Erfindung des Menschen ist? Hat schon mal jemand Gerechtigkeit angefasst? Hat schon mal jemand Schönheit in einem Mikroskop gesehen? Wie schwer ist Liebe in Kg? Welche Temperatur hat Vernunft? Mit anderen Worten, obwohl wir diese Dinge mit empirischen Mitteln nicht bemessen können, sind wir uns absolut sicher, dass es sie gibt. Warum? Dies ist eine äußerst spannende Frage. Und eine weitere spannende Frage ist: Warum sind wir uns ALLE grundlegend darin einig, dass z.B. stehlen, lügen und morden etwas schlechtes ist? Für mich ist die Antwort klar – ohne dass ich mich jetzt zu einem bestimmten Religionssystem wie Christentum, Islam, Judentum, Hinduismus usw. bekennen muss – diese Werte müssen von einem höheren Wesen kommen.

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Thomas Jefferson (1743-1826)

Systemkritik

Gerade heute, wo wieder mehr über Politik und über sogenannte Systemkritik gesprochen wird, gibt es viele Leute, die religiöse Fragen völlig von Systemkritik getrennt sehen wollen. Aber geht das überhaupt? Glauben wir nicht alle an irgendetwas? Ist ein Gesellschaftssystem nicht auf Werten, an die wir glauben, aufgebaut? Für alle, die es noch nicht wissen, der gesamte moderne Demokratiegedanke ist ein religiöser Gedanke:

“Wir halten diese Wahrheiten für selbsterklärend, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten beschenkt wurden, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Recht auf ein Streben nach Glück gehören.”

– Thomas Jefferson, US-Amerikanische Unabhängigkeitserklärung an König George III, 1776.

Wer genau liest, stellt fest dass sich Herr Jefferson nicht spezifisch auf einen christlichen, islamischen, jüdischen oder hinduistischen “Schöpfer” festlegt. Er geht davon aus, dass jeder genau versteht, was gemeint ist: Ein höchster Schöpfer, ein allmächtiger, allwissender und allgütiger Gott, aber nicht im sektiererischen Sinne. Jeder Mensch darf sich hier wiederfinden, egal, ob er sich Christ, Jude, Moslem, Hindu oder etwas anderes nennen möchte.

Tatsache ist: Die moderne Demokratie hat einen eindeutig theistischen Unterbau.

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Autor: Paramshreya Dasa

Wenn wir also von “mehr Demokratie” und ähnlichen Dingen sprechen, aber gleichzeitig den Gottesgedanken völlig ausblenden und abtrennen wollen, befinden wir uns auf einem völlig falschen Dampfer.

Die Frage ist doch vielmehr, dass wir vernünftig über solche Fragen diskutieren, d.h. mit Respekt vor der Meinung des anderen. ♦

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Category: Fragen & Antworten, Interreligiös, Krishna und die Welt, Politik, Sanskrit, Shiva & Param

Kommentare (3)

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  1. Priscilla Suter-Ott sagt:

    Radhe Radhe

    Wieder ein gelungener Artikel der alle Sinne anspricht.

    Es ist schon immer wieder spannend, wie jeder von sich aus Gedanken hervorbringt, die offensichtlich eine Inspiration oder Offenbarung Krishnas sind. Wie Prabhupada sagte: jeder steht im Dienste Krishnas. Ob er/sie es weiss oder/nicht. Ob er/sie sich dessen bewusst ist oder nicht. (Aus der Begebenheit mit dem betrunken Mann der mit Klopapierrollen durch die Versammlung lief, während einem Vortrag von Prabhupada in NY.)

  2. Sven sagt:

    Haribol,

    Schöne Gedanken, Klasse Artikel.

    Hare Krsna!!

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