Wenn Gott etwas Selbst in die Hand nimmt

Ein Interview mit Mangalananda Dasa, dem ältesten, immer noch aktiven Hare-Krishna-Buchverteiler Deutschlands

| 15. September 2012 | 1 Kommentar

Der Autor Mangalananda Dasa hat für seine Mittagspause einen Riesensessel in der Duisburger Fußgängerzone gefunden.

Die folgende Geschichte ereignete sich vor einiger Zeit in Stuttgart. Ich hatte fast meinen ganzen Bücherstapel fertig verteilt, als ich beschloss, wieder in Richtung Auto zu laufen, um einen neuen Stapel zu holen. Als ich den Wagen erreichte, hatte ich noch einige wenige Bücher übrig. Diese legte ich einfach auf den neuen Bücherstapel – der nun aber dadurch ziemlich groß wurde. Ja, ich konnte gerade eben noch über die Bücher herüber schauen und die Leute ansprechen.

Als ich in die Fußgängerzone zurückkehrte, passierte es: Die Frau, der ich die letzten drei Bücher verteilt hatte, kam plötzlich wieder auf mich zu, um mir diese entrüstet wieder zurückzugeben. Ihre Begründung war, dass sie sich für solch einen Schwachsinn nicht interessiere und dass sie sofort ihr Geld zurück haben wolle. Sie legte mir die Bücher unsanft auf meinen Stapel, so dass meine Sicht nun völlig versperrt wurde. Das war alles ein bisschen zu viel für mein Ego. Mit der Absicht, dieser „blöden Ziege“ eins auszuwischen, begann ich alle Euro- und Centstücke aus meiner Tasche herauszuholen, um ihr die fünfzehn Euro auf diese Weise wiederzugeben. Das verärgerte sie natürlich nur noch mehr und sie machte ein Riesentheater. Sie bestand stur auf ihre drei Scheine. In diesem Moment platzte mir wirklich der Kragen. „Hören Sie mal zu“, sagte ich, „wenn Sie es schaffen sollten, in den nächsten zehn Minuten auch nur ein Buch zu verkaufen, dann…dann können Sie meinen gesamten Bücherstapel behalten!“

Was ich da sagte, meinte ich auch so, doch zu meiner Überraschung schlug sie auf dieses Angebot ein! „Gut“, sagte sie, „dann möchte ich ihnen aber ein Paar Minuten zuschauen, um zu sehen, wie Sie das genau machen.“

Damit hatte ich nicht gerechnet. Das musste wohl ein Arrangement Krishnas sein. Ich versuchte innerlich, eine demütige Haltung anzunehmen. So teilte ich den großen Bücherstapel – bestehend aus nun 27 Büchern – in zwei Hälften. Den einen halben Stapel trug ich, den anderen die Frau. In diesem Moment fing es auch noch an, heftig zu regnen, so dass wir beide in die überdachte Unterführung der Fußgängerzone gehen mussten. In dieser Unterführung war es von den Geschäftsinhabern untersagt worden, Bücher zu verteilen und überall hingen Videokameras. Trotzdem begann ich die Leute anzusprechen, in der Hoffnung, dass niemand etwas bemerken würde. Gleich der erste Mann blieb stehen und mit großem Interesse kaufte er mir sofort vier Bücher ab. Kurze Zeit darauf nahm eine Dame drei Bücher mit. Ja, eine Person nach der anderen blieb stehen, zeigte sich interessiert und nahm ein paar Bücher mit. Die letzte Person war ein Mann, der bereits vor einiger Zeit eine Bhagavad-gita gekauft hatte. Er stellte mir einige tiefe Fragen und beschloss daraufhin alle Bücher,

Passfotos aus dem Jahre 1999

die ich noch auf dem Arm hatte, zu kaufen. Das waren sieben Bücher auf einmal, und er gab, wie die anderen Leute auch, einen Beitrag für die Druckkosten und eine großzügige Spende für unsere Missionsarbeit. Während der gesamten Zeit lief diese Frau stets an meiner Seite, stand immer dabei, hörte den Gesprächen zu und trug die Bücher. Ihr Gesicht wurde immer mehr von Verwunderung und Ehrfurcht ergriffen – und meins natürlich auch! Es war der schnellste Bücherstapel, den ich in meiner dreißigjährigen Buchverteilung jemals verteilt hatte! Siebenundzwanzig Bücher in zehn Minuten! Schließlich hatte ich kein einziges Buch mehr auf dem Arm. Dann sagte ich zu ihr: „Sehen Sie, nicht alle Leute sind solche harten Nüsse wie Sie! Es gibt auch Menschen, die für spirituelles Leben Interesse haben und diese Bücher wertzuschätzen wissen.“

Die Frau hatte Tränen in den Augen. Mit großer Reue gab sie mir die fünfzehn Euro zurück, obwohl ich auch ihre Bücher bereits verteilt hatte. Darauf sagte ich: „Nun habe ich aber nur noch ein kleines Taschenbuch in meiner Tasche, was ich ihnen dafür geben kann.“

Doch sie sagte: „Das macht nichts, Hauptsache die Adresse steht drin, so dass ich mit ihrer Gruppe in Kontakt bleiben kann.“

Die Frau wurde für diese zehn Minuten Zeuge dafür, was passiert, wenn Gott eine Sache direkt übernimmt. Sie konnte wahrnehmen, wie die ganze Situation – das Verhalten der Leute, mein Verhalten, die gesamte Atmosphäre – unmittelbar unter dem Einfluss einer göttlichen Energie gestanden hat. Auch nahm sie unmittelbar am Sankirtana-Yajna teil: Sie trug die Bücher, und sie lächelte, wenn die Leute lächelten und sagte Tschüß, wenn die Leute Tschüß sagten. So wurde sie in diesen zehn Minuten von Krishna direkt auf die spirituell Ebene erhoben.

Der Bericht stammt aus dem Jahre 2005

 

Sri Srimad A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada (1896-1977), der Gründer-Acharya der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein

Was hat es mit der Buchverteilung der Hare Krishnas auf sich?

Seit dem Bestehen der ISKCON bat Srila Prabhupada seine Schüler, die von ihm geschriebenen Bücher an möglichst viele Menschen zu verteilen. Diese Bücher sind Übersetzungen und Erläuterungen der zeitlosen Vedischen Literatur. Dazu gehören Werke wie dieBhagavad-gita und das Srimad-Bhagavatam, die von Gelehrten zur spirituellen und philosophischen Weltliteratur gezählt werden. Das Verteilen dieser Bücher ist ein Teil desSankirtana-Yajnas, dem für dieses Zeitalter empfohlenen Vorgang für Gotteserkenntnis. Dieser yajna oder dieses Opfer wurde im 16. Jahrhundert von Sri Chaitanya Mahaprabhu, einem Avatar Krishnas im bengalischen Indien eingeführt. Seitdem gehen die Mitglieder und Freunde der ISKCON mit diesen Büchern gelegentlich in Fußgängerzonen und bieten sie dort den Menschen an. Dabei fragen sie interessierte Abnehmer nach einem Beitrag für die Herstellungskosten. Es handelt sich also nicht um ein Gewinn orientiertes Geschäft, sondern um die Förderung einer staatlich anerkannten Mission. Die Verteilung von Krishna-Literatur ist eine anerkannte gemeinnützige Tätigkeit, für die auch ein eigener Verein ins Leben gerufen wurde. Mit dem erwirtschafteten Geld sollen vorwiegend die Druckkosten abgedeckt werden, damit neue Bücher gedruckt werden können. Deshalb sprach Srila Prabhupada lieber von Buchverteilung als von Buchverkauf, um den Missionsgedanken im Vordergrund zu behalten.

 

Ein Interview mit Mangalananda Dasa, dem ältesten Buchverteiler Deutschlands

Gour-Ni-Times: Mangalananda Prabhu, du bist einer der ältesten aktiven Buchverteiler in Deutschland. Seit dreißig Jahren gehst du mit Srila Prabhupadas Büchern in Fußgängerzonen und sprichst dort Menschen an, um sie mit dieser Literatur bekannt zu machen. Von wo nimmst du dir diesen Antrieb, die Entschlossenheit und die lang anhaltende Begeisterung?

Mangalananda: Eine gute Frage. Ein wichtiger Faktor ist die Gemeinschaft. Ich versuche immer Gemeinschaft mit denjenigen zu haben, die auch begeistert und überzeugt von der Sankirtana-Bewegung Sri Chaitanya Mahaprabhus sind. Große Inspiration ziehe ich ebenso direkt aus den Büchern von Srila Prabhupada. Er hat unwahrscheinlich großes Mitgefühl für uns bedingte Seelen in der materiellen Welt aufgebracht, die er auch in seinen Erläuterungen zum Ausdruck bringt. In seiner Person und Arbeit sehe ich das große Bedürfnis zu helfen und ein großes Potential an Liebe. Der Leser kann sich von dieser Stimmung anstecken lassen.

Gour-Ni-Times: Viele ältere Mitglieder der ISKCON, die früher auch Bücher verteilt haben, orientieren sich momentan in Richtung wirtschaftlicher Absicherung. Wie stehst du dazu?

Mangalananda: Das ist sicherlich berechtigt. Doch man sollte bei all diesen Bemühungen nicht vergessen, dass wir auch noch andere, höhere Werte im Leben haben. Nach wie vor wollen wir zurück nach Hause, zurück zu Gott gehen. Dieses Ziel sollten wir nicht aus den Augen verlieren. Wir sollten Krishna in unseren Bemühungen immer einbeziehen, auch in den wirtschaftlichen und familiären. Wenn wir versuchen, getrennt von Krishna unser Leben in die Hand zu nehmen, dann werden wir mit Erfahrungen und Reaktionen konfrontiert, die nicht immer erfreulich sind. Der eine oder andere muss solche Erfahrungen sammeln, um zu wichtigen Erkenntnissen zu kommen. Auch ich habe in meinem Leben schon öfters die eine oder andere Krise gehabt; deshalb nehme ich diese überbetonte Umorientierung nicht allzu ernst. Vielmehr habe ich die Hoffnung, dass bald wieder mehr Einsicht für die Notwendigkeit des spirituellen Lebens und ein größerer Geschmack für das Krishna-Bewusstsein entsteht. Trotz beruflicher und familiärer Pflichten können wir in unserer Freizeit für ein oder zwei Stunden mit Büchern hinausgehen und Menschen freundlich ansprechen. Das wird unser Leben und das Leben anderer Menschen spirituell bereichern.

Gour-Ni-Times: Vielen Dank.

Mangalananda: Hare Krishna.

Das Interview stammt aus dem Jahre 2005

Category: Aktivismus, Bücher, GourTube, Interview, Mangalananda Dasa, Menschen, Prabhupada, Weitere Autoren

Kommentare (1)

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  1. Uli sagt:

    Hare Krishns, ich kann meinem ewigen Spirituellen Meister Srila Prabhupada einmal mehr für seine Schüler und Buchverteiler wie Mangalanan das nur immer wieder so sehr dankbar sein. Es war und wird es immer sein wichtigster Moment in diesem und allen folgenden Leben bleiben das erste Buch. Wann ich es erhalten habe weiß ich aus dem Grund weil ich meiner Tochter zu dritten Geburtstag ein Fahrad kaufen ging. Eine Woche vorher ich hatte damals Nachtsicht fuhr ich nach Bad Duerrheim wo es ein großes Kaufhaus gab. Ich stieg aus dem Auto aus und wie aus dem nichts stand ein Devote und Buchverteiler vor mir und sagte gib mir was du kannst. Ich habe mir Krishna bis dahin selbst zusammengebaslt und war iregendwie so mit ihm immer im Dialog. Mit einer Lehre aus Indien hatte ich aber bestimmt das geringste am Hut.Ich erwarb drei Bücher und gab 30 DM weil sie mir als ich sie anschaute auch wert waren. Das Fahrad musste eben etwas billiger sein. Als ich das erste Buch es war Leben Kommt von Leben begann meine richtige Geburt. Inzwischen bin ich 58 Jahre alt und es ist immer noch mein Swami unser aller Lehrer. in der Zwischenzeit bin ich 58 Jahre alt. Meine Sohn ist 26j und meine Tochter wird am 17. November auch 26 jahre alt. Ich bitte Krishna immer wieder das Srila Prabhupad immer mein Spiritueller Meister sein darf. Von Leben zu Leben ganz wie es ihm beliebt. Ich danke aber auch von tiefsten Herzen all seinen Schülern und Buchverteilern ohne die hätte meine richtige und einzig wichtige Geburt nicht stattgefunden. Verzeiht meine Fehler beim schreiben bin etwas aus der Übung und habe auf dem Handy getippt. Alle Ehre sei Srila Prabhupada
    Liebe Grüße an alle
    Euer Diener Uli

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