Vor einigen Tagen schrieb uns ein Vertreter der "naturalistisch-humanistischen" Weltanschauung, nachdem er einen kritischen Blick auf unsere Website geworfen hatte. Daraus entstand eine interessante Diskussion über die Richtigkeit des Missionierens, über den Kreationismus [Schöpfungsglaube] und über die richtige Verwendung des Wortes "Atheist".

Missionieren, Kreationismus und Atheisten

Ein Briefwechsel, Stand: Januar 2009

GNT-Besucher: Die GOUR-NI-TIMES Webseite ist sehr gelungen. Die ISKCON scheint ja eine sehr interessante Religionsgemeinschaft zu sein. Allerdings finde ich persönlich den Missionsgedanken und den kreationistischen Anteil etwas problematisch.

GOUR-NI-TIMES: Jeder Mensch hat die natürliche Neigung, zu missionieren, das heißt andere von der Sache zu überzeugen, von der er selbst überzeugt ist. "Guck dir mal diesen Film an! Probiere mal diese Marmelade!" Das machen wir ständig bewusst oder unbewusst im Alltag.

GNT-Besucher: Da gebe ich euch in allen Punkten recht, nur mit dem religiösen Missionierungsgedanken hat eure Analogie nicht viel zu. Da geht es doch eher um den Auftrag, aktiv für ein bestimmtes Weltbild mit Anspruch der alleinigen Vertretung einer behaupteten universalen Wahrheit und den daraus hervorgehenden sozialen Regeln, Vorschriften und Dogmen zu werben. Problematisch finde ich daran, dass leicht zu beeinflussende Menschen (meist Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in bestimmten psychischen und sozialen Notlagen) in die Fänge von "Menschenfischern" mit ganz bestimmten Absichten geraten und indoktriniert werden. Siehe z.B. [...] und andere nicht so nette Sekten und natürlich die großen missionierenden Weltreligionen. Wobei ich nach einiger Lektüre finde, das eure Religionsgemeinschaft in der Beziehung eher einen harmloseren Eindruck macht.

GOUR-NI-TIMES: Unserer Meinung nach ist der Missionsgedanke an sich nicht so sehr problematisch, solange man den freien Willen anderer Menschen respektiert. Gemäß der Bhagavad-gita hat Gott jedem Lebewesen einen freien Willen geschenkt und den muss man unbedingt respektieren. Der Missionsgedanke selbst kann nicht ausgelöscht werden.

Problematisch kann der Inhalt sein, also für was wir missionieren, zum Beispiel wenn wir andere Menschen zum Drogenkonsum, zum religiösem Fanatismus, zum Rassismus oder zu ähnlichem drängen möchten, und wenn wir deren Freiheit nicht respektieren. Die ständige Diskussion über den Inhalt verschiedener Überzeugungen ist das Zeichen einer gesunden Gesellschaft.

Was den Kreationismus betrifft, so betrachten wir die abrahamische Präsentation als eine stark vereinfachte Version, die besonders für weniger gebildete Menschen im Orient wie Fischer und Schafhirten bestimmt war. In den Vedischen Schriften wird die Schöpfung in vielen Bänden systematisch beschrieben und lässt sich auch mit vielen modernen naturwissenschaftlichen Betrachtungen vereinbaren. Solche Beschreibungen findet man zum Beispiel im Srimad-Bhagavatam (Bhagavata-Purana), welches von vielen namhaften Akademikern als ernstzunehmende Alternative zur Darwinschen Evolutionstheorie angesehen wird.

GNT-Besucher: Ich kann nichts über die Vedischen Schriften und deren Schöpfungsgeschichte sagen, da ich sie bis jetzt noch nicht gelesen habe. Ich meinte eher, dass ich auf eurer Webseite, wie auch auf der ISKCON-Webseite wissenschaftsfeindliche Aussagen und Cartoons ;-) entdecke, die ich als stark kreationistisch interpretiert sehe. Das erinnerte mich ein wenig an die noch aktuelle Diskussion in den USA über Intelligent Design aka Kreationismus versus Evolutionstheorie im staatlichen Biologieunterricht.

Auch wird der häufig benutzte Begriff "Atheist" auf der ISKCON-Webseite (Themen der Woche) in alle möglichen negativen Formen und Farben gepresst und mit bestimmten Weltbildern assoziiert. Als eine Person mit einem naturalistisch-humanistischen Weltbild (Sozusagen ein prinzipbedingter Atheist) finde ich es schade, dass auch bei euch keine Differenzierung stattfindet.

Dabei sind viele Aspekte Eurer Religion sehr erstrebenswert.

GOUR-NI-TIMES: Im großen und ganzen haben wir nichts gegen die moderne Wissenschaft und auch nichts gegen viele ihrer Aussagen. Es gab und gibt auch viele bedeutende Wissenschaftler, die schlussendlich von der Existenz eines Gottes überzeugt sind – Pascal, Newton, Einstein, um nur einige aus der Vergangenheit zu nennen. Ihr Ziel war es nicht, zu beweisen, dass es keinen Gott gibt, sondern empirisch-wissenschaftlich zu ergründen, wie die Naturgesetze funktionieren. Mit anderen Worten, sie wollten verstehen, wie Gottes Naturgesetze funktionierten.

In den letzten drei Jahrhunderten haben sich die Naturwissenschaftler zunehmend in zwei Gruppen geteilt: Die eine besteht aus den eben genannten Forschern und die zweite aus solchen, deren vorrangiges Ziel es ist, durch ihre Erkenntnisse und Theorien zu belegen, dass es keinen Gott gibt. Deine Bedenken sind also begründet, und deshalb wollen wir zukünftig in unseren Texten, Cartoons und anderen Beiträgen den Unterschied dieser beiden Gruppen stärker hervorheben.

Für den Inhalt der ISKCON-Website sind wir nicht verantwortlich. Doch weil wir mit dem Redakteur dieser Website gut befreundet sind, haben wir ihn über deine Kritik informiert und er hat deine Gedanken begrüßt. Wir haben uns dort einmal umgeschaut und stießen prompt auf folgende Aussage:

"Im Oktober 2007 entschied das Europäische Parlament, dass in europäischen Schulen alle Weltanschauungen, die der Evolutionstheorie entgegen stehen, nur noch im Religionsunterricht präsentiert werden dürfen. Damit zementiert der europäische Überstaat einen Glauben, den Glauben an die Evolutionstheorie, als einzig lehrwürdige Version der Entstehung der Artenvielfalt, obwohl die Evolution experimentell nicht bewiesen werden kann."

(Aus http://www.iskcon.de/iskcon/aktuell/themenaktuell/Thema1808.htm)

Oft werden Menschen mit einer religiösen Weltanschauung als diejenigen hingestellt, die ausschließlich missionieren würden, sprich: anderen ihre Weltanschauung aufdrücken würden. Doch das stimmt nicht, wie der oben erwähnte EU-Parlamentsentscheid und viele ähnliche Beschlüsse belegen. Gerade die Verfechter mit einem atheistischen Weltbild haben in den letzten Jahrzehnten starke Missionsarbeit betrieben. Das geht so weit, dass die Darwin-Theorie wie eine naturwissenschaftliche Tatsache an Schulen gelehrt wird, während die Schöpfung durch einen Gott als eben nur ein Glauben an die Seite geschoben wird. Anhand dieses Phänomens wird deutlich, dass die atheistischen Vertreter in den letzten Jahren effektive Missionsarbeit geleistet haben. An vielen amerikanischen Universitäten bekommen Professoren keinen Lehrstuhl, wenn sie sich zu einer spirituellen Weltanschauung bekennen.

Was uns betrifft, so würden wir uns auch nicht mit der Schöpfungsdarstellung abrahamischer Traditionen zufrieden geben. Der moderne, gebildete Mensch verlangt nach mehr Erklärung als, dass Gott die Welt in sieben Tagen erschaffen hat (beschrieben auf nur drei Seiten). Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Menschen eher zur naturwissenschaftlichen Version hingezogen fühlen. Dabei jedoch zu schlussfolgern, es gäbe keinen Gott, der hinter all diesen Naturgesetzen steht, halten wir für einen großen Trugschluss.

Wenn wir also im negativen Sinne von Wissenschaftlern sprechen, dann meinen wir damit diejenigen, die mit ihren Forschungen und Theorien ein Gott-verneinendes Weltbild propagieren. Dennoch geben wir dir Recht, dass dieser Unterschied besser differenziert werden muss.

In einem deiner früheren Texte schriebst du:

GNT-Besucher: Problematisch finde ich daran, das leicht zu beeinflussende Menschen (meist Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in bestimmten psychischen und sozialen Notlagen) in die Fänge von "Menschenfischern" mit ganz bestimmten Absichten geraten und indoktriniert werden.

GOUR-NI-TIMES: Das stimmt; das kann durchaus problematisch werden und bietet Raum für weitere interessante Diskussionen. Wir sollten bei diesem Thema aber auch nicht vergessen, dass es mindestens genauso problematisch sein kann, wenn leicht zu beeinflussende Menschen ein Weltbild gelehrt bekommen, in dem die Welt nur zufällig, ohne Plan und ohne Sinn entstanden ist, in dem es keine Seele und keinen höchsten Schöpfer und Gesetzgeber gibt, der darüber entscheidet, was gut und was schlecht ist. Dieses Weltbild hat Menschen wie Hitler, Stalin, Mao und andere Artgenossen dazu bewegt, an "das Recht des Stärkeren" zu glauben und dementsprechende Maßnahmen vorzunehmen. Auch der gesamte Raubtierkapitalismus gründet auf diesem Gedanken. Die derzeitige Umweltzerstörung ist die Ursache dafür, dass der Mensch meint, er hätte keine Verantwortung gegenüber Gott und Seiner Schöpfung.

Über dieses Thema gibt es auch einen interessanten deutschsprachigen Film auf Google-Video, in dem sehr klar gezeigt wird, was der Darwinismus in den letzten 150 Jahren bewirkt hat:

"Das Unglück, das der Darwinismus über die Menschheit brachte"

Die Vedischen Schriften schaffen in dieser Angelegenheit eine wunderbare Synthese, die auch zunehmend bei heutigen Naturwissenschaftlern auf Anklang stößt. Falls dich das im Detail interessieren sollte, hier sind ein paar interessante Literaturvorschläge, die sich mit der vedischen Version der Schöpfung in Verbindung mit der modernen Naturwissenschaft beschäftigen:

Leben kommt von Leben von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Forbidden Archeology von Michael A. Cremo
God and Science: Divine Causation and the Laws of Nature von Richard L. Thompson
Srimad-Bhagavatam von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada

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Vielleicht wird diese Diskussion in der Zukunft noch weiter fortgesetzt. Wir würden diese Themen gerne weiter vertiefen. Wer noch einen Kommentar abzugeben hat oder eine Frage stellen will, kann sich über E-Mail an die GOUR-NI-TIMES Redaktion wenden.

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Kommentar von Yajuhpati Dasa (22.01.2009) : Schöne Disskussion, aber man sollte beide Seiten kritisieren für ihren Wissensmangel in Bezug auf moderne Wissenschaft und vedische Schriften. Die moderne Wissenschaft versteht nicht die Welt zu 100 %, da viele Ansichten auf "Theorien" basieren, quasi einem momentanen Wissensstand, der halt nicht wiederlegt wurde oder aus technisch begrenzten Mitteln eingeschränkt ist. So funktioniert Wissenschaft in jedem Bereich! Theorien werden immer wieder wiederlegt oder ergänzt. Somit wäre es absolut falsch zu behaupten, dass unsere heutigen Wissenschaftler auf alles eine Antwort hätten zu tatsächlich "100%". Man kann eher sagen, wir vermuten stark, aber ohne Beweise, was bedeutet, "wir glauben", es wäre so. Manche Dinge lassen sich tatsächlich beweisen...

Die andere Seite ist ein Mangel an Informationen, oder besser Details. Das
Srimad-Bhagavatam beschäftigt sich mit dem Thema Schöpfung in einer Übersicht, aber nicht als einziges Thema ausführlich, so dass ein heutiger Wissenschaftler wohl zu recht sagt, er findet darin zu wenig Details, um diese als Beweise gelten lassen zu können. Trotzdem bieten die Veden viele Hinweise die es leichter machen können, Wissenschaft und Religion unter einen Hut zu bringen; schließlich müssen beide Seiten den Text "ich glaube stark oder vermute anhand meiner Info`s" anführen. Die moderne Wissenschaft versteht nicht einmal 1 % aller Vorgänge im Universum. Darwin hat mit seiner Theorie nicht erklärt, was Leben bedeutet, noch wie Leben entsteht. Daher ist es nur eine Theorie mit einem kleinen Wahrheitsgehalt, nämlich dass die Lebewesen wie Bausteine zusammengesetzt sind, sprich Zellen mit Bauplan, welcher sich ändern kann. Wer in Biologie aufgepasst hat, weiß, dass wir als Embryo anderen Säugetieren ziemlich ähnlich sehen, aber aufgrund verschiedener Baupläne (Erbgut) eine andere Entwicklung durchmachen. Das eine Lebewesen entwickelt eine Hand und das andere eine Flosse. Die Übereinstimmung liegt unter dem Mikroskop: eine Ansammlung von Millionen kleiner Zellen. Ich kann aus Legosteinen ein Flugzeug oder ein Feuerwehrauto bauen... Daher ist die Evolutionstheorie nicht verkehrt, aber ungenau. An dieser Stelle sollte eine religiöse "Theorie" ergänzt werden zum Darwinismus, nämlich dass "Leben kommt von Leben", was nichts anderes bedeutet, das leblose Materie leblos bleibt, solange es nicht mit Bewußtsein, Intelligenz und Emotionen durchdrungen ist. Ein Haus baut sich nicht plötzlich von allein, auch wenn ein ganz toller Bauplan vorliegt. Zumindest sollte man "glauben", dass jemand diesen Bauplan ausgedacht hat. Evolution ist daher möglich, aber trotzdem ist die Frage, woher das Leben kommt, viel bedeutender.

GOUR-NI-TIMES nimmt Stellung (23.01.09): Uns wird noch nicht ganz klar, wen du genau mit der einen Seite und wen du besonders mit der anderen Seite meinst. Das Srimad-Bhagavatam erhebt nicht den Anspruch, alle detailierten Informationen über die Mechanismen der Naturgesetze zu liefern. Doch besonders in Bereichen, zu denen die empirische Wissenschaft niemals Zugang haben wird, bietet das Bhagavatam Informationen an, mit denen es leicht wird, den gesamten Schöpfungsaufbau und auch den Schöpfungszweck zu verstehen. Denn es reicht nicht aus, immer nur nach dem Wie zu fragen; ein wahrer Wissenschaftler sollte auch nach dem Warum forschen. Die moderne Gesellschaft ist kaum in der Lage, diese beiden Fragen in einem harmonischem Zusammenhang zu beantworten – im Gegenteil, diese zwei Fragen werden zunehmend unabhängig von einander beantwortet. Das geht so weit, dass man sich in der heutigen Gesellschaft entweder für die eine Frage (nach dem Wie) oder für die andere Frage (nach dem Warum) entscheiden muss. Mit anderen Worten, die derzeitige, weitverbreitete Auffassung lautet, dass man nicht gleichzeitig nach naturwissenschaftlichen und philosophisch/theologischen Antworten streben kann. Doch das Srimad-Bhagavatam versteht sich bestens darauf, beide Fragen harmonisch zu erklären, ohne dass sich die eine Erklärung mit der anderen beißt.

Die Naturwissenschaft wird auch in den Veden als echte Wissensquelle anerkannt. Es werden dort insgesamt drei Arten des Wissenserwerbens beschrieben:

Pratyaksha - Wissen durch sinnliche (empirische) Erfahrung wie z.B. Experimente mit einem Thermometer.
Anumana – Wissen durch rationales, logisches Schlußfolgern.
Shabda – Wissen durch Klangschwingung, genauer, Informationen aus den vedischen Schriften meist über Bereiche, zu denen wir mit unseren bloßen Sinnen keinen Zugang haben.

Unter diesen drei Methoden wird die dritte Quelle als die höchste angesehen (Vedanta-sutra).

GOUR-NI-TIMES hat also nichts gegen die Wissenschaft, oder besser definiert, empirische Naturwissenschaft (pratyaksha). Als Anhänger der Bhagavad-gita und der Vaisnava-Philosophie bezeichnen wir uns selbst als Wissenschaftler, da wir den Anspruch erheben, verschiedene Bereiche des menschlichen Lebens mit Vernunft, mit Rationalität und frei von Dogmen erklären zu können. Wir distanzieren uns bloß entschieden von der dogmatischen Behauptung, alles könne ausschließlich durch empirische Methoden erklärt werden und darüber hinaus gäbe es keine anderen Methoden. Und auch wenn es solche Methoden gäbe, müssten diese bloß als Glaube bezeichnet und heruntergestuft werden, siehe EU-Beschluß. Eine solche Weltsicht nennt man dann nicht mehr Wissenschaft, sondern Wissenschaftismus.

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Vielleicht wird diese Diskussion in der Zukunft noch weiter fortgesetzt. Wir würden diese Themen gerne weiter vertiefen. Wer noch einen Kommentar abzugeben hat oder eine Frage stellen will, kann sich über E-Mail an die GOUR-NI-TIMES Redaktion wenden.

 

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