In Gedenken an eine edle Geweihte Krishnas:

Am Krankenbett von Sadanandi Devi Dasi


Von H.H. SACINANDANA SWAMI, April 2011


Während meiner Bemühungen, Sadanandi Dasi auf ihrer letzten Reise beizustehen, reflektierte ich am Krankenbett meiner sterbenden Sekretärin über ihr Leben.

Oh, ewige Seele Gefangen in einem sterbenden Körper. Jetzt ist die Zeit gekommen zu gehen. Durchtrenne die Verbindungen Deiner verbliebenen Anhaftungen. Durch das Schwert der Hingabe. Und gehe jetzt, bitte gehe. Fürchte Dich nicht. Ja, es gab der Prüfungen viele auf Deinem Weg, aber Du bestandest sie alle. Radha und Krsna sind an Deiner Seite und warten schon.

Weiter kam ich nicht in meiner kleinen Andacht für Sadanandi. Ich hatte gerade die Intensivstation betreten und stand an ihrem Bett. Es war offensichtlich: Sie befand sich in den letzten Zügen ihres Kampfes mit dem Tod. In diesem Moment überwältigte mich ein ganzer Sturm von Emotionen und ich brach unter Tränen zusammen. Selbst in ihrem komatösen Zustand sah Sadanandi Prabhu aus wie ein Engel. Sie atmete schwer und war sich offensichtlich nicht bewusst, was um sie herum geschah. Aber ich spürte, dass sie noch anwesend war. Selbst in ihrem an seinem Ende angekommenen Körper war ihre Seele noch wach.

Der Rest ist schnell erzählt: Wir sangen den Mahamantra für die nächsten achteinhalb Stunden. Nach einem schnellen Besuch auf der Toilette sah ich wie zwei Schwestern das Bett mit dem zweiten Patienten, welcher soeben verstorben war, aus dem Zimmer rollten. Es war gut, dass er den Kirtan gehört hatte.

Sadanandis Mutter streichelte ihren Kopf und ihre Arme und bereitete sich unter Tränen auf den letzten Abschied vor. Während der Arzt die lebenserhaltenden Maschinen eine nach der anderen abstellte fragte ich: „Wann wird der Tod eintreten?“.

Mit einem traurigen Lächeln antwortete er: „Innerhalb der nächsten 24 Stunden.“ Jeder hatte Sadanandi Prabhu sofort gern gehabt. „Es gibt nichts mehr, was wir noch für sie tun können. Die inneren Blutungen sind nicht zu stoppen. Ihre Leber ist tot, ihre Nieren arbeiten nicht mehr und dann ist da noch dieser gefährliche Virus und… Wir geben nur noch ein sehr starkes Schmerzmittel.“

Nach sieben Stunden Mahamantra kam der Pfleger Till zu uns und sagte: „Ich beglückwünsche euch. Welch wundervolle Atmosphäre! So etwas habe ich noch nie zuvor erlebt. Die meisten Menschen hier sterben alleine. Mir bleibt es dann überlassen, für sie der beste Freund, der Partner, Vater, Mutter, Bruder, Schwester – alles in einem – zu sein, denn es gibt nicht viele Menschen, die es wagen, dem großen Unbekannten, dem Tod, gegenüber zu treten.“

„Warum?“ fragte ich.

„Wahrscheinlich, weil es sie an ihren eigenen unausweichlichen Tod erinnert und dadurch ihr gesamtes gegenwärtiges Leben in Frage gestellt wird. Alles, was wir im Leben tun, hinterfragt der Tod mit drei dicken Fragezeichen: Ist es das wirklich wert???“.

Die Tiefe von Tills Antwort erstaunte mich. Schnell fügte er an: „Ich hoffe, wenn meine Zeit gekommen ist, dass dann Leute wie Sie um mich herum sind und singen.“

Liebe Leser, wie kann ich beschreiben, was dann passierte? Wer von Euch wird mir glauben? Bitte versucht es.

Einer der Kirtans war so wunderbar, dass ich mich in meinem Geist inspiriert fühlte, diese Welt zu verlassen und mich nach Goloka Vrindavan zu begeben. Dort, unter einem Wunschbaum, erreichte ich die Gemeinschaft des Göttlichen Paares und sprach für Sadanandi Prabhu: „Hier ist Sadanandi Dasi, meine wundervolle Schülerin. Sie wurde eingeweiht in die Parampara in welcher Sri Caitanya Mahaprabhu erschien und Srila Prabhupada das Krishna Bewusstsein verbreitete. Ihr gesamtes hingebungsvolles Leben bestand aus Dienst, sie war liebenswürdig zu allen Devotees und sie versuchte ihr möglichstes um ihre Anhaftung an Euch zu verstärken. Sie liebte Euer eigenes Zuhause, den heiligen Wald von Vrindavan und…“

Während ich nach dem besten Weg suchte, Sadanandi zu beschreiben, kam mir eine Idee in den Sinn. „Ja, das von ihr am meisten gebrauchte Wort war ‚Danke’ in Bezug auf all die spirituellen Geschenke, welche sie erhielt. Bitte, bitte seid so gütig und nehmt sie an.“
In diesem Moment schien das Göttliche Paar zu lächeln und Srimati Radharani nahm eine Blume, um sie Sadanandi zu überreichen. Dann sagte Sie: „Wir warten schon auf dich.“
Bitte versteht mich nicht falsch: Ich behaupte nicht in direktem Kontakt mit dem Herrn zu sein. Dies war lediglich meine Meditation.

Ein elektronisches Geräusch holte mich schnell wieder auf die Intensivstation zurück. Einer der Monitore zeigte plötzlich an, dass sich ihr Herzschlag beschleunigt hatte. Vielleicht war dies ein gutes Zeichen?

Es war 22.30 Uhr als wir den Raum verließen. Irgendetwas sagte mir, dass Sadanandi Dasi ihre letzte Reise lieber in meiner Abwesenheit beginnen würde. Es ist bekannt, dass Sterbende große Pein erleiden, wenn sie umgeben sind von jenen Menschen, zu denen sie die größte Verbundenheit haben.

Gaurahari Dasa und Rangadevi Dasi waren in der Zwischenzeit eingetroffen, um uns zu ersetzen. Und um 0.30 Uhr, als gerade der neue Tag begonnen hatte, klingelte das Telefon [bei mir] in Gaura-bhavan. Sofort wusste ich: Sadanandi hatte uns soeben verlassen.
Am Telefon beschrieb Gaurahari Sadanandis letzte Minuten mit folgenden Worten: „Während wir Kirtan sangen, wurden Sadanandis Atemzüge immer länger und länger. Ihre Mutter war für einen Moment eingeschlafen und ihr Kopf ruhte auf der Schulter ihrer Tochter. Plötzlich fühlte ich die Inspiration Srila Prabhupada und ihre Deities [Altargestalten] zu verherrlichen und sang ‚Jaya Prabhupada!’ und ‚Jai Sri Sri Radha Govinda!’. Dann pries ich mit Gesang Krishna-Balaram und die verschiedenen Orte an denen sie in Vrindavan gerne gewesen ist.“

„Sadanandis Atmung wurde sehr friedlich und plötzlich öffnete sie weit ihre Augen und schaute mich an. Sie muss gefühlt haben: Jetzt ist die Zeit gekommen! Während sie dann ihren letzten Atemzug machte, sang ich unaufhörlich ‚Jaya Prabhupada!’, ‚Jaya Gurudev!’ und ‚Jaya Radhe!’. Unmittelbar nach ihrem Dahinscheiden spürten wir alle eine erstaunlich liebevolle Atmosphäre um uns herum und wir fühlten, dass Sadanandi sich auf ihre göttliche Reise zurück nach Hause, zurück zu Gott, begeben hatte.“

Am Ende dieses Artikels möchte ich mich aus tiefstem Herzen bedanken, zunächst bei Elfie, Sadanandis wunderbarer Mutter, dann bei unserem kleinen Team in Gaura-bhavan, welches ein so wunderbares Beispiel der Gemeinschaftsfürsorge gesetzt hat: Gaurahari, Rangadevi und Bhanu-nandini Prabhus. Und ich möchte mich auch bedanken bei allen Devotees, welche sie besucht hatten wie Gadadhara Dasa und den Devotees vom Dharma Schloß, Amara Prabhu, Nrsimha-priya, Suzanne, Katja, Herrn Klebig, Helmut, Marie und so weiter.

Herzlichen Dank auch an alle Devotees, die gebetet oder Kirtan gesungen haben. Ich bin zutiefst bewegt. Ich glaube, dass Devotees auf der ganzen Welt gebetet haben und dadurch eine hilfr- und segensreiche Atmosphäre geschaffen haben. Danke, Danke, Danke.

Natürlich sind wir jetzt betrübt, aber tief in unserem Herzen fühlen wir uns gleichzeitig glücklich. Ihre letzte Reise verlief genau so, wie es sich Sadanandi stets gewünscht hatte. Radha und Krishna waren tatsächlich jederzeit bei ihr und dadurch verlor der Tod seinen Schrecken.

Ich möchte mit einem wunderbaren Vers abschließen, der mir in den Sinn kommt, wenn ich an Sadanandi Prabhu denke: „Obwohl Mein reiner Geweihter allen möglichen Tätigkeiten nachgeht, erreicht er unter Meinem Schutz und durch Meine Gnade das ewige, unvergängliche Reich.“ (Bhagavad-gita 18.56)

„Zu einem Gottgeweihten, der sich auf diese Weise im Krishna-Bewusstsein betätigt, ist der Herr sehr, sehr gütig. Trotz aller Schwierigkeiten wird er am Ende in das transzendentale Reich, Krishnaloka, aufgenommen. Der Einlass dort ist ihm garantiert. Darüber besteht kein Zweifel. In diesem höchsten Reich gibt es keinen Wandel; alles dort ist ewig, unvergänglich und voller Wissen.” (Srila Prabhupadas Erläuterung zu Bhagavad-gita 18.56)

V.l.n.r.: Gaurahari Dasa, Sacinandana Swami, Madhupati Dasa

Ein persönliches Wort an alle Leser: Es ist nur natürlich, einen gesteigerten Sinn für Entsagung und Ernsthaftigkeit der Absichten zu verspüren, wenn jemand, der einem nahe stand und lieb war, seinen Körper verlässt. Ich weiß, dass viele von Euch Sadanandi persönlich kannten und nun tiefe Gefühle in ihren Herzen verspüren. Es wird große Trauer herrschen, aber in all dem gibt es eine wunderbare Dimension: Krishnas Plan.
Es ist mir wichtig in diesem Text an Euch einen Punkt zu erwähnen, welcher mir sehr klar wurde: Ihr gesamter Abschied stand tatsächlich unter der Aufsicht von Krishna. Er hielt Sein Versprechen: Er wird Seine Devotees beschützen.

Selbstverständlich tat es oftmals sehr weh, besonders während des letzten Jahres, den am Ende aussichtslosen Kampf Sadanandis um ihre Gesundheit zu verfolgen, aber in der jetzigen Rückschau macht alles einen Sinn: Der Herr hat alte karmische Außenstände dazu benutzt, sie von dieser Welt zu lösen und ihre Bindung an Ihn zu vergrößern. Einer ihrer letzten Sätze zu mir war: „Ich glaube, ich bin jetzt bereit zu gehen.“ Und ein wenig später: „Ja, ich möchte gehen. Es wartet neuer Dienst auf mich.“

(Übersetzung aus dem Englischen und Einfügungen in eckigen Klammern: Olaf Schröder)

Mehr Informationen über Sadanandi Dasi auch auf Sacinandana Swamis offizieller Website www.saranangati.net

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Samstag, den 14. Mai 2011
im THE BHAKTI CLUB, Hannover:
Mama, was werde ich im nächsten Leben?


Die Vorstellung, schon einmal gelebt zu haben und nach dem Tod wiedergeboren zu werden, wird auch hierzulande immer normaler. Doch lässt sich diese Vorstellung mit den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft oder den Lehren des Christentums vereinbaren? Was sagen die jahrtausend alten Vedischen Schriften aus Indien über den Reinkarnationsgedanken und was entscheidet darüber, was man in seinem nächsten Leben wird? [Weiter]