Die Veden in Person


Wer sind eigentlich diese Hare Krishnas?
Und an was glauben sie?

VON RUPA MANOHARA DASA
aus dem Gauradesh-Tempel, Köln

Die richtige Bezeichnung für jemanden, der der Krischna-Religion folgt, lautet "Vaishnava". Vaishnava bedeutet "Diener Vishnus". Vishnu ist der eine Höchste Herr (Gott) in Indien. Man mag sich fragen, wie das sein kann, da es in Indien doch viele Götter gibt? Aber der "Eine Höchste" muss die anderen Exekutiven ja nicht ausschließen. Dazu mehr im Abschnitt über Hinduismus und sanatana-dharma.

Vischnuismus oder Vaishnavatum ist in Deutschland zwar schon relativ lange bekannt, jedoch nicht im Volk. Hauptsächlich Gelehrte und Künstler, wie Goethe, Schiller oder Humboldt, haben sich mit dieser Religion des Hinduismus intensiv auseinandergesetzt und sich vom schier unbegrenzten Reichtum der alten Schriften der Inder, den Veden, inspirieren lassen, darunter auch die Bhagavad-gita. Wenn man dieses Werk kennt und dann zum Beispiel Goethes Faust liest, ist es unschwer zu erkennen, dass er vom vedischen Wissen beeinflusst wurde. Diese vedischen Schriften sind die Grundlage aller hinduistischen Religionen.

Hinduismus ist an sich gar keine Religion, sondern vielmehr ein geographischer Begriff, wie zum Beispiel Semitismus, also ein Sammelbegriff für ein Gebiet, aus dem bestimmte Religionen stammen. Es ist also nicht ganz richtig, einen Vaishnava als Hindu zu bezeichnen. Denn ebenso wenig würde man einen Moslem als Semiten bezeichnen.

Andererseits ist es nicht falsch, einen Geweihten Krischnas als einen "Krischna" zu bezeichnen, denn diese Art der Titulierung hat in Indien eine sehr lange Tradition und selbst wir, die wir in der westlichen Welt weniger mit dieser Theologie vertraut sind, tun es instinktiv richtig. Zum Beispiel wurde Draupadi wegen ihrer einzigartigen Hingabe zu Sri Krishna auch Krishnaa (mit langem a; die weibliche Form dieses Namens) gerufen. Und auch Arjuna (der Held der Bhagavad-gita) wurde aufgrund seiner ausschließlichen Hingabe zum Höchsten Herrn dieser Name gegeben. (1)

Das Wort "Hindu" jedoch, ist weder in der Bhagavad-gita anzutreffen, noch sonst irgendwo in der vedischen Literatur. Es wurde von den Moslems geprägt, die in Nachbarländern Indiens wie Afghanistan, Belutschistan und Persien lebten. Die Nordwestgrenze Indiens wird von einem Fluss gebildet, dem Sindhu. Weil die dort ansässigen Moslems das Wort "Sindhu" nicht richtig aussprechen konnten, nannten sie stattdessen den Fluss "Hindu". Die Bewohner des jenseitigen Landes waren für sie folglich Hindus. (2)

Deshalb ist es aber auch nicht ganz falsch einen Vaishnava als Hindu zu bezeichnen, denn er gehört einer der meist verbreiteten Religionen in Indien an.

Das Vaishnavatum ist unterteilt in vier autorisierte Sampradayas (Schülernachfolgen) - man könnte auch Konfessionen sagen. Die Religion der Vaishnavas heißt sanatana-dharma, zu Deutsch, die "ewige Religion", wie sie durch die vedischen Schriften offenbart wird. Das vedische Wissen wird als ewiges Wissen betrachtet, welches immer wieder von Rishis (weise Seher) verkündet wurde und mündlich von Meister zu Schüler (Schülernachfolge) weitergegeben wurde.

Dem Srimad Bhagavatam (auch als die "die reife Frucht am Baum der vedischen Schriften" genannt) zufolge, wurde das vedische Wissen von einem großen Rishi namens Vyasadeva vor ca. 5000 Jahren mit Hilfe eines himmlischen Sekretärs in Schriftform gebracht.  Dies war nötig, um das wertvolle Wissen zu  konservieren. Denn mit dem Einzug des heutigen Zeitalters (des Kali-yugas) würde die Fähigkeiten der Menschen extrem abnehmen. In früheren Zeitaltern war es kein Problem, sich etwas zu merken, nachdem man es nur einmal gehört hatte. Heute muss man sich alles aufschreiben, damit man nichts vergisst.  Die Menschen wurden auch viel älter, nämlich statt 100 Jahre ganze 1000 Jahre alt.  Auch die Bibel spricht davon, dass zuzm Beispiel Noah 950 Jahre alt wurde.

Der Grund dafür, dass so viele Religionen aus den Veden hervorgegangen sind, ist nicht bloß in einer  evolutionären Entwicklung der Menschen und ihrer Traditionen zu suchen, sondern vielmehr in der Tatsache, dass die Veden selbst verschiedene Wege der Religion vorschlagen, um die vielen verschiedenen Menschen an ihrem jeweiligen spirituellen Entwicklungsstand abzuholen und so jedem Erhebung zu ermöglichen. Die Veden sind also nicht ein in sich homogenes Schriftwerk mit einer dogmatischen Heilslehre, sondern eine gewaltige Sammlung von Schriften, die Wissen aus den verschiedensten Fachbereichen behandeln.

Die Veden können als Gebrauchsanweisung für das materiell verkörperte Dasein angesehen werden, die für diesen Zweck alle nötigen Wissensgebiete, wie Mathematik, Astronomie, Philosophie, Medizin, Jura, bis hin zur Kriegs- und Baukunst zur Verfügung stellt, um dem Menschen Führung zu geben, damit er ein glückerfülltes und menschenwürdiges Leben führen kann, und um seine Wünsche in Erfüllung zu bringen.

Das eigentliche Ziel aber, das durch die Einhaltung vedischer Prinzipien angestrebt wird, ist die Erlösung aus dem leiderfüllten Zustand der Unwissenheit und Wissen über den Sinn des Daseins, unserer Herkunft und unserer wahren Identität. Kurz gesagt, Befreiung vom Kreislauf von Geburt, Krankheit, Alter und Tod (samsara-cakra).

So sagt Sri Krishna, der ursprüngliche Vishnu, in der Bhagavad-gita:

sarvasya tschaham hridy sannivischto
mattah smritir gianam apohanam ca
vedaisch ca sarvair aham eva vedyo
vedanta krit veda-vid eva caham

"Ich (Gott) weile im Herzen eines jeden und von Mir kommen Erinnerung, Wissen und Vergessen. Das Ziel aller Veden ist es, Mich zu erkennen. Wahrlich, Ich bin der Verfasser des Vedanta (Schlussfolgerung der Veden) und Ich bin der Kenner der Veden."            (BG 15.15)

Die Bhagavad-gita ist die Grundlage allen spirituellen Wissens und zugleich dessen Essenz. Sie wurde vor ca. 5000 Jahren von Bhagavan Sri Krishna zum Wohl aller Menschen offenbart. Sie wird von allen hinduistischen Schulen als wichtigste vedische Schrift anerkannt und verehrt. Die Lehren der Bhagavad-gita zielen alle auf das letztendliche Ziel aller Religion hin, nämlich die ewige wesensgemäße Stellung der Seele, als Teil Gottes, wieder einzunehmen (sanatana-dharma), in der die ewige Glückseligkeit liegt, nach der wir hier auf der materiellen vergänglichen Ebene seit unvordenklichen Zeiten verbittert suchen.

Vor rund 520 Jahren erschien eine Inkarnation Krishnas, um am eigenen Beispiel aufzuzeigen, wie die Lehren der Bhagavad-gita gelebt werden sollten. 

Sein Name:  Sri Krishna Chaitanya, der auch oft Gaurahari, der goldene Gott, genannt wird. Er reformierte das Vaishnavatum und machte dem gesamten Volk die Lehre zugänglich, was vorher nur den Priesterklassen vorbehalten war.

yada yada hy dharmasya
glanir bhavati bharata
abhyutthanam adharmasya
tadatmanam srijamy aham

"Wann und wo auch immer das religiöse Leben verfällt, o nachkomme Bharatas, und Irreligiosität überhand nimmt, zu der Zeit erscheine Ich."            (BG 4.7)

Er offenbarte den "Weg der Religion" für das gegenwärtige Zeitalter (Kali-yuga), dem Zeitalter des Streits und der Heuchelei. Er demonstrierte, dass die Lobpreisung der Namen Gottes für unsere Zeit die autorisierte Methode für Gottes- und Selbstverwirklichung ist. Er predigte, dass allein durch die Rezitation des Mahamantra (Gottes Namen), die im Herzen eines jeden Lebewesens schlummernde Liebe zu Gott erweckt werden kann.

Hare  Krischna  Hare  Krischna   Krischna  Krischna  Hare  Hare
Hare  Rama  Hare  Rama   Rama  Rama  Hare  Hare
iti sodasakam namnam  kali-kalmasa-nasanam
natah  parataropayah   sarva-vedesu drisyate

?Nachdem man die gesamte vedische Literatur durchsucht hat, kann man keine erhabenere Methode der Religion (Yoga) für dieses Zeitalter finden als die Lobpreisung von Hare Krishna" ( Kali-santarana-upanischad )

Deshalb hört man die "Hare Krishnas" auch immer auf der Straße diesen Mantra singen.

Der Vorgang der Religion für dieses Zeitalter (yuga-dharma) wird sogar von den altjüdischen Schriften offenbart: Dieses Zeitalter zeichnet sich dadurch aus, dass die Menschen im Allgemeinen versuchen Gott zu übertreffen, Ihn zu kopieren oder Ihn gar zu stürzen oder als tot zu erklären. Gleiches geschah im alttestamentarischen Teil, als der Turmbau zu Babel stattfand. Es wurde ein großer Turm gebaut, der bis in den Himmel ragen sollte, um Gott zu erreichen. Man wollte durch technisches Know-how sich auf die gleiche Stufe erheben wie Gott. Dort heißt es:

"[...] damals begann man, des Herren Namen anzurufen" (Gen 4.26)

Die Bibel ist voll von Verherrlichungen der Gottesnamen. Hier nur einige wenige Zitate:

"Herr, unser Herr! Wie glorreich ist Dein Name auf der ganzen Erde. Wie herrlich ist Dein Ruhm am Himmel" (PS. 8.2)

?Sind jene noch so stolz auf Wagen und auf Pferde(stärken*), wir sind es auf den Namen unseres Herrn und Gottes" (PS 20.8)

"Mit Pauken stimmt zu meines Gottes Ehren an! Mit Zimbelklängen singet meinem Herrn! Ein neues Lied lasst Ihm ertönen! Erhebt und rühmet Seinen Namen." (Judith 16.1)

"Geheiligt werde Dein Name" (Hes. 36.22à; Mt 6.9b)

"Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über allen derselbe Herr, reich für alle, die Ihn anrufen. Denn wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden." (Joel 3.5à; Röm 10.13)

Und auch Mohammed lehrte:

"Preise den Namen des Herrn" (Sura Al-A'la 87.1-2)

Und selbst Buddha erklärte:

"Alle die aufrichtig meinen Namen anrufen, werden nach dem Tode zu mir gelangen und ich werde sie ins Paradies holen." (Gelübde des Amida Buddha 18)

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Endnoten:

1. Deciples of Bhaktivedanta Swami Prabhupada:

Srimad Bhagavatam, Tenth Canto, Ch.58 Verse 5 Purport

The Bhaktivedanta Book Trust 1988

2. Bhaktivedanta Swami Prabhupada:

?Krishna-Bewusstsein: Hindu-Kult oder göttliche Kultur?"

in Die Schönheit des Selbst, Stockholm, The Bhaktivedanta Book Trust 1998  S.132-133

* Einfügung des Autors

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Zum Autor: Rupa Manohara Dasa ist seit einigen Jahren ein Mönch und Priester im Kölner Hare-Krishna-Tempel "Gauradesh".

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