Eheleute Gott

Kopfschmerzen sind manchmal auch ein Zeichen gesunden Denkens – wie dieser Artikel bestätigt

| 10. November 2012 | 1 Kommentar

Madhvacharya (1238-1317) war ein berühmter südindischer Vaishnava-Mönch, Philosoph und Reformer, der sich mit zahllosen Argumenten vehement gegen die so genannte Mayavada-Philosophie ausgesprochen hat. Man traf ihn in den meisten Fällen mit zwei gespreizten Fingern an, denn er wollte fortwährend betonen, dass Gott und das Lebewesens immer zwei individuelle Entitäten sind und niemals miteinander verschmelzen können.

Vedisches Wissen ist ewiges Wissen, welches keinem Wandel unterliegt. Es wird lediglich durch die Acharyas (spirituellen Lehreister) dem Verständnis der verschiedenen Zeitalter und Epochen so angepasst, dass die gewöhnlichen Menschen es verstehen können und die Möglichkeit haben, das Ziel des Lebens – Liebe zu Krishna – zu erreichen. Daher ist es auch kaum verwunderlich, dass die Worte, die Srila Prabhupada vor Jahrzehnten sprach, auch heute noch aktuell sind.

„…wer einen billigen guru will und betrogen werden möchte, der wird viele betrügerische gurus finden. (…) Weil die Menschen alles sehr billig haben wollen, werden sie betrogen. Ich verlange von meinen Schülern, dass sie von unzulässigem Sex, Fleischgenuss, Glücksspiel und Berauschung Abstand nehmen. Die Leute empfinden das als eine lästige Aufgabe und denken, das sei zu mühselig. Wenn man ihnen dagegen sagt: ‚Ihr könnt tun und lassen, was ihr wollt – nehmt einfach mein mantra!’, dann sind sie begeistert. Ich will damit sagen, dass die Menschen betrogen werden wollen und dass deshalb die Betrüger nicht ausbleiben. (…) Deshalb kommen die Betrüger und sagen: ‚Du brauchst auf nichts zu verzichten. Was immer du tun möchtest, kannst du tun. Gib mir einfach Geld, und ich geben dir ein mantra, mit dem du in sechs Monaten Gott wirst.’ Das ist heute Gang und Gäbe. Wenn man betrogen werden will, kommen die Betrüger von selbst.“

(aus Die Schönheit des Selbst, The Bhaktivedanta Book Trust).

Der Autor Olaf Schröder aus Bielefeld

So fiel uns dann bei einer Internetrecherche dieses Zitat ein, als wir auf ein südindisches Ehepaar (63 bzw. 58 Jahre alt) stießen, welches sich selbst als „erleuchtet Avatare“ bezeichnet. Durch eine Art „Energieübertragung“ erreichen deren Schüler angeblich einen „höheren Bewusstseinszustand“ und „Erleuchtung“. Nach Angaben einer Website haben sie diese Fähigkeit an sich im Jahre 1989 entdeckt. In der Folge gründeten die Eheleute eine Institution, in welcher „der Mensch dabei nicht nur entdeckt, dass er ein Teil Gottes ist, sondern dass er Gott selbst ist.“ Während dies noch nach „simpler“ Mayavadi-Philosophie klingt, welche zwar der endgültigen Schlussfolgerung des Vedanta diametral gegenüber steht, geht die auf einer anderen Website zusammengefasste Lehre dieser Institution weit darüber hinaus. Sri Caitanya Mahaprabhu bezeichnete die Lehren der Unpersönlichkeitsphilosophen als „Gift“ – die Lehren dieser speziellen „Avatare“ jedoch fordert nicht weniger als den klaren Verstand heraus.

Im Folgenden die 12 Lehrsätze dieses „Avatar-Ehepaars“ mit jeweils kurzen Anmerkungen des Autors in Fettdruck.

* * * *

1. Es gibt nur einen Verstand – den uralten kollektiven Verstand. Er ist bedingt durch Trennung und Dualität.

Dass es Gott gibt, wird ja (siehe oben) nicht in Abrede gestellt – dieser wäre dann gleichzusetzen mit dem „uralten kollektiven Verstand“. Die Frage ist, warum der Verstand Gottes, durch „Trennung und Dualität“, überhaupt bedingt ist. Eine Macht kann nur durch eine höhere Macht bedingt werden, wer oder was ist es also, welches über Gott steht? Und was erfüllt es für einen Zweck zu erkennen, dass man nicht nur ein Teil Gottes ist, sondern Gott selbst sei, wenn dies dann am Ende sowieso nicht die höchste Erkenntnis darstellt?

  1. Dein Verstand ist nicht dein Verstand, sondern eine Ausdehnung dieses einen Verstandes.

Wenn mein Verstand gar nicht mein Verstand ist, sind zwangsläufig die von dem nicht-meinen Verstand produzierten Gedanken auch nicht meine Gedanken. Kann ich also denken, was immer ich will, egal wie unreligiös meine Gedanken sein mögen? Ist die vom Ayurveda geforderte Psychohygiene gar nicht wichtig? Ist am Ende das Gesetz des Karma gar außer Kraft gesetzt worden, welches ja bekanntermaßen auch im feinstofflichen Bereich einem die Reaktionen auf die eigenen Gedanken zukommen lässt?

  1. Entsprechend sind deine Gedanken nicht deine eigenen Gedanken, sondern herunter geladen von der „Gedankensphäre“, die verbunden ist mit dem kollektiven Verstand.

Siehe oben! Endlich muss man sich für seine schmutzigen Gedanken nicht mehr schämen – und schon gar nicht zu Krishna um Hilfe beten, immer in Gedanken an Ihn versunken zu sein.

  1. Die sinnliche Wahrnehmung eines getrennten Selbst wird erzeugt von einer neurobiologischen Struktur des menschlichen Gehirns.

Das Gehirn gaukelt uns also vor, nicht Gott zu sein, was bedeutet… (siehe nächster Lehrsatz)

  1. Dieses „Selbst“, sich selbst als getrennt wahrnehmend, erschafft Verlangen, Abneigungen, Vergleiche und Verurteilungen, welche der Kern des Leidens sind.

uns muss nur klar werden, dass wir Gott sind – und alles (materielle) Leiden hat ein Ende. Um es mit Prabhupadas Worten zu sagen: „Was immer du tun möchtest, kannst du tun.“

Lord Chaitanya argumentierte fortwährend gegen die Auslegung der Mayavada-Philosophie, nachzulesen im Die Lehren Sri Chaitanyas erschienen im Bhaktivedanta Booktrust.

 

  1. Wenn das Selbst verschwindet, endet das Leiden. Wenn das Verlangen abfällt, einschließlich des Verlangens nach Erleuchtung, bist du erleuchtet.

Hier stellt sich die einfache Frage: Da Erleuchtung einen Erleuchteten benötigt, wer ist dann erleuchtet, wenn mein Selbst ja verschwunden ist? Ich kann es ja logischerweise nicht sein, wie behauptet wird. Der „uralte kollektive Verstand“? Schwerlich, denn der ist ja (siehe Punkt 1) immer noch, durch die vielen Nicht-Erleuchteten, „bedingt durch Trennung und Dualität“.

  1. Wenn Deeksha [Einweihung] gegeben wird, beginnt ein neurobiologischer Prozess, der zur Loslösung der Sinne von einem getrennten, fixiertem Selbst führt.

Um dem nächsten Punkt kurz vorzugreifen: Dieses fixierte Selbst verschwindet ja nach der Loslösung von den Sinnen, wie wir dort lernen. Und was passiert mit unseren Sinnen selbst? Verschwinden tun sie offensichtlich nicht, aber wem nützen sie dann noch? Und wofür?

  1. Wenn das fixierte Selbst verschwindet, erlebst du dich einfach als Tanz der Persönlichkeiten, die fortwährend aufsteigen und wieder abtauchen.

Das Selbst ist verschwunden, aber trotzdem kann ich mich noch erleben! Wie geht das???

  1. Dein Körper ist nicht dein Körper. Wenn das Selbst verschwindet, verschwindet dein Sinn für Besitzerschaft des Körpers, und du erlebst ihn als Vehikel für den göttlichen Tanz des Bewusstseins. Möglicherweise wird die ganze Schöpfung dein Körper.

Ich kann also immer noch, obwohl nicht nur mein Sinn für die Besitzerschaft meines Körpers sondern sogar mein Selbst als solches verschwunden ist, meinen Körper als etwas erleben. Ich wage an dieser Stelle nicht mehr zu deuten, was es dann noch bedeutet, dass mein Körper, welcher ja gar nicht mein Körper ist, die „ganze Schöpfung wird“.

  1. Der Verstand, basierend auf Dualität, kann nicht erleuchtet werden.

Am Anfang (siehe Punkt 1) ist der Verstand bedingt durch u.a. Dualität. Mittlerweile basiert er jetzt schon auf Dualität. Geschenkt, da er ja sowieso nicht mein Verstand ist (siehe Punkt 2), ist es mir natürlich auch so ziemlich egal, ob er erleuchtet ist oder nicht.

  1. Das Selbst, welches eine Illusion ist, kann nicht erleuchtet werden. Das Selbst ist nur ein Konzept.

Okay, wenn aber auch das Selbst nicht erleuchtet werden kann – was nützt es mir dann von den Avatar-Eheleuten „Erleuchtung“ zu erhalten? Und wie kann das Selbst verschwinden (siehe Punkt 6), wenn es lediglich eine Illusion ist? Dann kann ja im besten Fall die Illusion verschwinden.

  1. Erleuchtung ist die Erfahrung, dass da kein Selbst ist was erleuchtet werden kann!

Ach so, es gibt gar kein Selbst was erleuchtet werden kann, das ist ja (siehe Punkt 11) nur ein Konzept. Aber wer oder was macht dann, in drei Teufels Namen, die Erleuchtungserfahrung?

* * * * *

Anmerkung der Gour-Ni-Times Redaktion: Wenn jemand beim Lesen dieses Artikels leichte Kopfschmerzen bekommt, ist dies ein gutes Zeichen, denn die mayavada-Philosophie macht in der Tiefe überhaupt keinen Sinn und ist ein Wirrwarr von Widersrüchen.

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Category: Autoren, Diverses, Krishna und die Welt, Olaf Schröder

Kommentare (1)

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  1. Andreas sagt:

    Haribol. Ich habe Kopfschmerzen! Gott sei dank 😉

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