Wir wollen keine BarmHARTZigkeit

Treffen mit Ralph Boes, dem Protest-Philosophen im Kampf gegen Hartz-IV und für bedingungsloses Grundeinkommen

| 5. September 2012 | 1 Kommentar

Von links nach rechts: Dominik, Sharadvan Dasa, Ralph Boes, Krishna Chaitanya Dasa, Paramshreya Dasa (Phillip Trier Rabe). Oben im Gemälde: Sri Srimad A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada (1896-1977), der Gründer-Acharya der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein. Das Treffen wurde von Mathias Sabji organisiert. Unser Koch war Hridaya Gauranga Dasa, der aber in diesem Moment gerade in der Küche ist. Zum Vergrößern einfach auf das Foto klicken.

Mitte August 2012 trafen wir uns mit Ralph Boes zum Mittagessen im Berliner Krishna-Tempel der ISKCON. Ralph Boes gehört zur Speerspitze der so genannten Grundeinkommensbewegung. Diese immer stärker werdende Bewegung kämpft vehement gegen die gegenwärtige Hartz-IV-Politik und fordert stattdessen ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger. Richtig bekannt ist Boes aber besonders durch seine spektakuläre Rebellion gegen die Methoden des Jobcenters geworden. In seinem „Brandbrief eines entschiedenen Bürgers“ hat er ganz klar aufgezeigt, dass viele Hartz-IV-Klauseln völlig konträr zum Deutschen Grundgesetz stehen und somit verfassungswidrig sind. Indem er sich immer wieder auf unser Grundgesetz beruft, stellt er die gesamte gegenwärtige Sozialpolitik in Frage – und das in aller Öffentlichkeit! Seine Besuche beim Jobcenter Berlin-Mitte gleichen mittlerweile regelrechten Medienereignissen und führen in der Behörde oftmals zum Ausnahme-Zustand.

Viele Gedanken, die in Boes‘ Hartz-VI-Empörung zum Ausdruck kommen, decken sich Eins zu Eins mit den Prinzipien, die auch von den Vedischen Schriften vertreten werden. Laut dem Text der jahrtausendalten Isopanishad steht jedem Lebewesen im Universum ein Grundeinkommen zu:

isavasyam idam sarvam
yat kinca jagatyam jagat
tena tyaktena bhunjitha
ma gridhah kasya svid dhanam

Der Höchste Herr besitzt und beherrscht alles Beseelte und Unbeseelte im Universum. Der Mensch sollte sich daher mit dem begnügen, was er wirklich braucht und was ihm als Anteil zugesprochen wurde. Er sollte nicht nach anderen Dingen trachten, weiß er doch Wem sie gehören.

(Isopanishad, Mantra 1)

Das Problem ist, dass es heute immer mehr Menschen gibt, die gierig sind. Sie beanspruchen Dinge,

  1. die sie gar nicht wirklich brauchen und
  2. die Gott für andere Menschen vorgesehen hat.

Es gibt heute zum Beispiel Multimilliardäre, die mit ihrer kleinen Familie in einem 170 Meter hohen Einfamilienhaus mit 30 Stockwerken leben.* Man bedenke: Diese Leute müssen, wie auch alle anderen Menschen, ungefähr viermal am Tag auf der Toilette pullern und sie können, wie auch alle anderen Menschen, nur in einem 1-Meter-mal-2-Meter großen Bett schlafen. Auch nimmt ihr Verdauungssystem nicht sonderlich mehr Nahrung auf als das Verdauungssystem anderer Menschen. Trotzdem können solche Leute ihren Rachen offensichtlich nicht voll genug bekommen und nehmen durch ihre unersättliche Gier anderen Menschen unweigerlich deren Lebensgrundlage weg. Durch die gegenwärtige Philosophie des Kapitalismus und Konsumismus sehen solche Personen sogar noch eine Rechtfertigung für ein moralisch richtiges Handeln.

So gaben wir Boes in der Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens von Grund auf Recht; doch machten wir bei unserem Gespräch darauf aufmerksam, dass man gleichzeitig auch ein großflächiges Schulungsprogramm einrichten müsse, mit deren Hilfe die Gesellschaft lernt, ihr Herz von destruktiven Eigenschaften wie Gier und Neid zu läutern. Denn sollten wir unsere Neigung, gierig und dekadent zu sein, nicht in den Griff bekommen, wird auch ein Bedingungsloses Grundeinkommen auf Dauer zum Scheitern verurteilt sein, da unkontrollierte Gier früher oder später immer in irgendeiner Form zum Ausbruch kommt.

Mit diesem Vorbehalt erklärte sich Boes voll und ganz einverstanden. Eine gleichzeitige großflächige Charakterschulung innerhalb der Gesellschaft ist eine wichtige Vorraussetzung, um ein Bedingungsloses Grundeinkommen erfolgreich einzuführen.

Doch leider wird eine Charakterschulung in unserem heutigen Gesellschaftssystem als nicht so wichtig betrachtet. Viel wichtiger sind die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes, die Rettung von korrupten Kreditinstituten und die Zunahme der Warenexporte, egal, ob es sich dabei um Fleisch, Spirituosen oder Waffen handelt. Staatlich-rechtliche Fernsehsender wie ARD und ZDF streichen jährlich Milliarden von Rundfunkgebühren ein, um die Bevölkerung weitgehend mit Werbung und niveauloser Unterhaltung zu verdummen. Brahmanische Lehrer wie Ralph Boes oder die Hare-Krishna-Mönche, die ihr Wissen der Gesellschaft kostenlos zur Verfügung stellen, sollen lieber in sinnlose 1-Euro-Jobs hineingesteckt und stillgelegt werden.

Ralph Boes hat selbst diese schmerzhafte Erfahrung machen müssen:

Ich habe versucht, etwas ganz neues zu entwickeln. Ich war Manager der zweitteuersten Seniorenresidenz von ganz Berlin. Dort wollte ich etwas ganz neues anbieten, nämlich eine „Geistesschule für Ältere“, um die Weisheitskräfte der Senioren wieder in den Gang zu bringen. Denn wir leben ja heute in einer Gesellschaftspyramide, in welcher der Teil der älteren Menschen immer dicker wird. Diese älteren Menschen werden in Wirklichkeit nur mit Konsum ruhig gestellt, obwohl in dieser Gesellschaftsgruppe doch eigentlich die Veranlagung zur Weisheit wohnen sollte. Die Älteren in unserer Gesellschaft sollten eigentlich der Weisheitspool unserer Welt sein, vorrausgesetzt, man bringt diese Veranlagung in Bewegung. Doch statt, dass man diese Veranlagung in Bewegung bringt, wird sie einfach nur mit Unterhaltung zugedeckt. Die Seniorenresidenz, in der ich gearbeitet habe, konnte man mit einer Titanic vergleichen. Oben im Gebäude haben die Senioren gewohnt, unten parkten ihre Porsches und in der Mitte ist der ganze Unterhaltungsbereich. Dort war immer allerhand los. Als Manager habe ich jeden Monat für hundert Leute ganze achtzig Veranstaltungen organisiert! Das war wie auf der Titanic! Ich habe manchmal auch meine Witze gemacht. „Wissen Sie, das, was wir hier machen, ist wie auf der Titanic! Es gibt hier nur einen Unterschied: Von Ihnen allen überlebt kein einziger!“

Deshalb habe ich etwas ganz Neues angeboten: „Eine Geistesschule für Ältere“ und die Leute waren sehr begeistert. Man kann sich gar nicht vorstellen, welche Kräfte dort frei wurden. Doch als der neue Direktor kam, hatte dieser leider kein Gespür für diese neue Art der geistigen Beschäftigung; er wollte viel lieber eine Titanic haben und so mussten wir uns leider voneinander scheiden, weil ich in diesem Titanic-Programm keinen Sinn mehr gesehen habe.

So habe ich dann versucht, mich mit meiner Geistesschule selbstständig zu machen. Doch leider geht das nicht, denn unser heutiges System hat kein Verständnis für eine solche Arbeit. Das heutige System möchte viel lieber billige 1-Euro-Kräfte für die Pflege und Betreuung von Senioren. Und dann steht man da… Hätte ich nun aber ein Grundeinkommen, könnte ich diese Leistung sogar ohne Bezahlung anbieten.

(Aus einem öffentlichen Vortrag, gehalten in Limburg am 22. Mai 2012)

So landete Ralph Boes dann irgendwann im Jobcenter, um dort Hartz IV zu beantragen. Mit dem Hartz-IV-Geld wollte er seine Geistesschulungsseminare kostenlos im ganzen Bundesgebiet anbieten, damit möglichst viele Menschen – auch die sozial schwächeren – die Gelegenheit bekämen, sich mit geistiger Weisheit zu beschäftigen. Doch laut Hartz-IV-Eingliederungsvereinbarung, ein Dokument, welches man bei einer Beantragung unterschreiben muss, darf man weder seine Stadt verlassen, noch irgendeiner unerlaubten Tätigkeit nachgehen. Stattdessen soll man sofort jedes Job-Angebot annehmen, auch wenn diese Arbeit völlig konträr zur eigenen Veranlagung steht. Dass solche Angebote in fast allen Fällen äußerst schlecht bezahlt werden und keine guten Arbeitsbedingungen bereithalten, muss hier nicht weiter erwähnt werden.

Ähnlich wie Boes geht es in Deutschland heute aber auch vielen Predigern und Lehrern des Krishna-Bewusstseins. Sie sind bereit, der Gesellschaft sogar ohne Lohn ihre wertvollen Lehrdienste anzubieten, zum Beispiel an Schulen oder Universitäten. Doch leider findet man nur sehr wenige Bildungseinrichtungen, die für einen solchen Dozentenbeitrag Interesse zeigen, geschweige denn, dass sie eine solche Leistung gebührend honorieren wollen. Wären solche Prediger aber von einem Grundeinkommen gestützt, könnten sie ihre Lehrdienste auch unentgeltlich anbieten und die Möglichkeit wäre weitaus größer, dass die Gesellschaft breitflächig mit dem Wissen des Krishna-Bewusstseins und mit echter Charakterschulung in Berührung kommt.

Die Sri Isopanishad, eine der wichtigsten Upanisaden der Veden. Dieses Buch kann bei uns für 8,- EUR + Versandkosten bestellt werden.

Durch den Vorgang des Bhakti-Yoga, besonders durch das Chanten der Heiligen Namen, werden viele unerwünschte Unreinheiten ganz automatisch aus unserem Herzen entfernt (ceto-darpana-marjanam). Bei einer breitflächigen Schulung und Anwendung hätte unsere Gesellschaft einen so positiven Nutzen, der nur schwer zu erahnen ist. Krishna-Bewusstsein in unserer Gesellschaft würde schon bald dazu führen, dass sich die Menschen als Diener ihres Nächsten betrachten und nicht mehr, wie heute, als egoistische Konsumenten, denen Tag für Tag jede weiteren Skrupel verloren gehen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde ganz von selbst eingeführt werden, denn niemand könnte es ertragen, einen anderen Menschen bedürftig zu sehen. Auch wird jede Arbeit, die im Gottesbewusstsein ausgeführt wird, von allen wertgeschätzt. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen wirtschaftlichen Beitrag oder um eine kulturelle Bereicherung handelt.

Doch unser jetziges nur auf Wirtschaft und Konsum aufgebautes Gesellschaftssystem hat leider keine Wertschätzung für die Lehrdienste des Krishna-Bewusstseins. Solche Dienste würden nicht zum Wirtschaftswachstum beitragen. Wenn es nach unserem heutigen System geht, sollen Brahmanas, also spirituelle Lehrer, lieber in 1-Euro-Job-Maßnahmen hineingesteckt werden, in welchen sie dann „wichtigen“ Beschäftigungen nachgehen können wie zum Beispiel Kugelschreiber zusammenbauen oder Kaugummis verpacken. Nur selten bietet das Jobcenter dem Vaishnava-Lehrer eine wirklich vernünftige Beschäftigung an, bei der dieser aktiv in einer Bildungseinrichtungen mitarbeiten kann.

Aus diesem Grunde gewinnt das Thema Hartz IV und Bedingungsloses Grundeinkommen auch für die Vaishnavas, die das Krishna-Bewusstsein im Vollzeitmodus lehren möchten, an immer zunehmender Wichtigkeit. Die Mitglieder der ISKCON müssen der Bevölkerung klar machen, dass ohne spirituelle Charakterschulung und Gottesbewusstsein unsere Gesellschaft dem sicheren Abgrund entgegensteuert.

Aber zurück zu unserem Treffen mit Ralph Boes. Ganze vier Stunden unterhielten wir uns über viele interessante Themen und schlugen dabei auch immer wieder weise Bücher wie die Bhagavad-gita auf. Zum Schluss stellten wir uns noch einmal gemeinsam für ein Gruppenfoto in Pose, welches schon am nächsten Tag auf Boes seiner offiziellen Facebookseite zu sehen war. Seine Statusmeldung dazu lautete:

Ich war gestern bei Hare Krishna eingeladen – es war ein unglaublich warmherziges und konzentriertes Gespräch. Danke.

Die meisten Facebook-Mitglieder, die Boes‘ öffentlich frei zugängliche Facebookseite besuchen, sind weitgehend Menschen, die an Boes‘ politischer Arbeit interessiert sind, also insbesondere Themen wie Hartz IV und Bedingungsloses Grundeinkommen. Trotz dieses überraschend exotischen Ausflugs in einen Hare-Krishna-Tempel, nahmen Boes‘ Sympathisanten die Statusmeldung sehr positiv auf. Lediglich ein einziges Facebook-Mitglied meldete sich kritisch zu Wort, indem er Boes davor warnte, sich besser nicht mit „fragwürdigen Eso-Sekten“ und „Eso-Quatsch“ abzugeben, da ihm seine „Hater [Hasser oder Kritiker] sonst einen Strick daraus drehen würden“.

Als Antwort schrieb Boes:

„Hare Krishna“ ist eine Sekte – ok. Die Banker sind aber auch eine, eine wesentlich gefährlichere übrigens. Unsere Politiker sind auch eine, die katholische Kirche erst recht. Selbst die Grundeinkommmensbewegung ist von anderen Standpunkten aus als eine Sekte anzusehen! „Sekten“ gibt es so viele, wie es Menschengruppen gibt. Jeder Mensch und jeder Gruppierung geht naturgemäß von zunächst einseitigen, besonders für SIE zutreffenden Standpunkten aus. Die Kunst ist die BEGEGNUNG! Nur in der Begegnung gelingt es, die Einseitigkeiten zu überwinden. Offenheit, Lernbereitschaft und Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem „Anderen“ entscheiden, ob man „Sekte“ ist, oder nicht.

In unserer Begegnung waren die „Hares“ keine Sekte, sondern intelligente, warmherzige, am Schicksal der ganze Welt und Menschheit interessierte Menschen.

Das, finden wir, ist ein wirklich riesiges Statement, und dem hatte auch niemand mehr etwas entgegenzusetzen. In diesem Sinne freuen wir uns ebenfalls über unser Begegnung mit Ralph Boes. „Begegnung“ bedeutet, dass die verschiedenen politischen, philosophischen und religiösen Gruppen zwar zusammenkommen und diskutieren und vielleicht in manchen Bereichen sogar zusammenarbeiten, aber nicht unbedingt miteinander fusionieren müssen. All diese „am Schicksal der Welt und der Menschheit“ interessierten Gruppen können sich miteinander vernetzen, um so einen ernsthaften Gegendruck auf den heutigen Katastrophenkurs auszuüben. ☼

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Fußnoten:

* In Mumbai, Indien, lebt einer der reichsten Inder in einem 173 Meter hohen Einfamilienhaus, genauer gesagt, ein Wolkenkratzer mit insgesamt 27 Stockwerken. Ein paar Kilometer weiter entfernt befindet sich das größte Slum Asiens, ein Ballungsgebiet von 400.000 Menschen, in welchem  die „Häuser“ buchstäblich aus Müll zusammengeflickt sind. Auch sanitäre Einrichtungen gibt es dort nicht.

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Externe Videos & Linktipps:

Das äußerst spannende und höchst informative Video-Interview, in welchem Ralph Boes über „Zivilen Ungehorsam“ und über seinen „Brandbrief eines entschiedenen Bürgers“ spricht:

 

Weitere Linktipps zum Thema Hartz IV und Bedingungsloses Grundeinkommen, die wir empfehlen:

 

Durch das gemeinsame Chanten des Hare-Krishna-Mahamantra verschwinden negative Eigenschaften wie Neid und Gier ganz von alleine aus unserem Herzen:

Hare Krishna Hare Krishna
Krishna Krishna Hare Hare
Hare Rama Hare Rama
Rama Rama Hare Hare

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Category: Aktivismus, Diverses, Menschen, Politik, Shiva & Param

Kommentare (1)

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  1. christine goertz sagt:

    eure themen sind sehr informativ – hartz4,
    neue bhagavad gita, usw.- danke fuer eure
    initiative.

    hare krishna
    christine

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